BGB § 166 § 123; VVG § 22
Leitsatz
Hat der VN seinen Versicherungsmakler über Vorerkrankungen unterrichtet und gibt dieser die Information nicht an den VR weiter, ist der Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtbar.
LG Hamburg, Urt. v. 19.4.2012 – 314 O 55/11
Sachverhalt
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kl. die Bekl. auf Zahlung von Krankentagegeld i.H.v. täglich 60 EUR für die Zeit vom 22.12.2009 bis 30.4.2010 in Anspruch Der Kl. erlitt im Jahre 2004 und im Jahre 2006 jeweils einen Unfall. Unfallbedingt litt er an einer Rückenverletzung und erhielt Rente von der Berufsgenossenschaft. Die Firma H-Assekuranz GmbH erteilte unter dem 1.2.2008 die Deckungsnote. Darin heißt es auszugsweise: "Vor Vers./Schäden: keine Schäden bekannt … Bemerkung: Herr X ist vollständig gesund und frei von Gebrechen."
2 Aus den Gründen:
"Die Klage ist nicht begründet."
Der Kl. hat keinen Anspruch auf das begehrte Krankentagegeld. … Die Bekl. hat den Versicherungsvertrag wirksam gem. § 22 VVG, § 123 BGB angefochten. Die Bekl. ist durch die Angaben des Versicherungsmakler H-Assekuranz GmbH, es bestünden keine Vorschäden bei der Vorversicherung und der Kl. sei vollständig gesund und frei von Gebrechen, arglistig getäuscht worden. Ausweislich der persönlichen Erklärung des Kl. in der Sitzung vom 16.2.2012 wusste Herr H sowohl von dem durch die Vorversicherung regulierten Vorschaden, als auch von der Rückenverletzung und von der daraus resultierenden Berufsunfähigkeit des Kl. So hat der Kl. angegeben, er hatte Herrn H gefragt, ob es etwas zu sagen hätte, dass er krank gewesen sei. Er sei 2 ½ Jahre berufsunfähig gewesen. Auch hätte er Herrn H die Unterlagen von der Vorversicherung übergeben. Dieser hätte gesagt, es gebe ein neues Gesetz, und was abgeschlossen sei, brauche nicht mehr angegeben zu werden. Er, der Kl., kenne Herrn H seit 30 oder 40 Jahren und habe mehrere Versicherungen schon bei ihm abgeschlossen gehabt. Herr H kenne die Unterlagen ganz genau.
Unter Zugrundelegung der persönlichen Angaben des Kl. sind die fehlerhaften Angaben in der Deckungsnote nicht etwa versehentlich erfolgt, sondern bewusst, um die Bekl. über die gesundheitliche Situation des Kl. zu täuschen.
Die fehlerhaften Angaben des von ihm beauftragten Versicherungsmaklers muss der Kl. sich zurechnen lassen (vgl. BGH NJW RR 2008, 1649).“
Mitgeteilt von RA André Naumann, Bornheim
3 Anmerkung:
Das LG hat entschieden, dass bei nachgewiesener Kenntnis des Maklers über den Gesundheitszustand des Versicherten, eine diesbezügliche falsche Angabe im Versicherungsantrag als arglistige Täuschung zu werten ist. Diese richtige Einzelfallentscheidung ist unter zwei Aspekten auch allgemein relevant.
Zum einen reichte es dem LG zur Feststellung der Arglist aus, dass der Kl., hier zugleich VN und verletzte Person, aussagte, der betreuende Makler sei über seine Vorerkrankungen und Vorschädigungen informiert gewesen. Das LG hat den Rückschluss gezogen, dass bei (nachgewiesener) Kenntnis von diesen anzeigepflichtigen Umständen eine anders lautende Aussage des Maklers im Versicherungsantrag bewusst und arglistig erfolgt. Dieser Rückschluss vom objektiven Umstand auf die subjektive Absicht ist richtig, wenn es keinen erkennbaren anderen Grund als eine beabsichtigte Täuschung des VR gibt, denn bei einem Makler kann man unterstellen, dass er die Auswirkung einer falschen Angabe im Versicherungsantrag kennt und berücksichtigt. Es reicht für den Nachweis der Arglist in solchen Fällen also aus, wenn der VR die positive Kenntnis des Maklers beweist.
Zum anderen hat das LG ebenso richtig eine weitergehende Nachfragepflicht der beklagten Versicherung nicht angesprochen. Bei einer positiven und eindeutigen Aussage im Versicherungsantrag zu einem entscheidungsrelevanten Umstand, braucht der VR diese Angabe nicht weiter zu hinterfragen, er darf sich auf die Richtigkeit der Angaben verlassen.
RA André Naumann, Bornheim