PflVG § 6 Abs. 1; StGB § 240
Leitsatz
1. Der Begriff "Gestatten des Gebrauchs" i.S.d. § 6 Abs. 1 PflVG erfordert, dass der Gestattende gegenüber dem Gebrauchenden eine übergeordnete Sachherrschaft an dem Fahrzeug hat. Es setzt zumindest stillschweigendes Einverständnis voraus; dass der Gebrauch nur ermöglicht wird, reicht zur Strafbarkeit nicht aus.
2. Der Tatbestand der Nötigung ist durch eine bedrängende Fahrweise nicht erfüllt, wenn deren Dauer unerheblich ist oder diese sich lediglich in einem einmaligen, kurzzeitigen Näherkommen an den anderen Verkehrsteilnehmer erschöpft.
OLG Köln, Beschl. v. 18.6.2013 – III-1 RVs 111/13
Sachverhalt
Der Angekl. ist wegen vorsätzlichen Duldens des Führens eines Kfz ohne den erforderlichen Versicherungsschutz zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 10 EUR sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 4 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt worden; zudem ist er mit einer Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von 24 Monaten belegt worden. Auf seine Berufung hat ihn das LG – unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels – wegen ebendieser Vergehen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt und die Dauer der Maßregel auf 20 Monate herabgesetzt. Die Revision des Angekl. gegen diese Entscheidung rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht eine Verletzung der §§ 261 und 244 Abs. 2 StPO geltend. Insb. wird beanstandet, dass die Freiheitsstrafe aus einem anderen Urt. nicht einbezogen und die Frage der Bewährung auf der Grundlage einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe geprüft worden ist.
2 Aus den Gründen:
"II. Das in formeller Hinsicht unbedenkliche Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg."
1. Soweit es die Verurteilung wegen der Taten v. 11.2.2012 (vors. Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz) und v. 23.4.2012 (vors. Fahren ohne Fahrerlaubnis) sowie der ersten Tat v. 2.5.2012 (vors. Fahrens ohne Fahrerlaubnis) betrifft, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsbegründung allerdings weder in Bezug auf den Schuldspruch noch hinsichtlich der erkannten Einzelstrafen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. ergeben. Das darauf bezogene Rechtsmittel war daher dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Im Übrigen hält der Schuldspruch indessen der durch die Sachrüge gebotenen Überprüfung nicht stand.
a) Soweit der Angekl. wegen vorsätzlichen “Duldens des Fahrens ohne Versicherungsschutz’ verurteilt worden ist, tragen die Feststellungen den Schuldspruch nicht.
Es heißt insoweit in den Gründen des angefochtenen Urteils:
“Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 11.2.2012 wurde der Angekl. von einer männlichen Person, deren Identität in der Hauptverhandlung nicht geklärt werden konnte, angesprochen und gebeten, er solle ein Fahrzeug der Marke S auf seinen – des Angekl. – Namen anmelden, weil der Pass der unbekannt gebliebenen Person abgelaufen war. Der Angekl. sollte dafür etwas Geld bekommen. Da er zu diesem Zeitpunkt über keine finanziellen Mittel verfügte, willigte der Angekl. ein. Die unbekannt gebliebene Person versprach dem Angekl., ihm das Geld für den Haftpflichtversicherungsvertrag zu geben, tat dies in der Folgezeit aber nicht. Im Oktober 2011 meldete der Angekl. das Fahrzeug an. Er beglich in der Folgezeit mangels finanzieller Möglichkeiten die Rechnungen der Versicherung nicht, so dass der Versicherungsschutz – wie der Angekl. wusste – infolge einer seitens der Versicherung ausgesprochenen Kündigung des Haftpflichtversicherungsvertrags am 7.10.2011 erloschen war. Der Angekl. nahm daher im Folgenden in Kauf, dass das auf seinen Namen angemeldete Fahrzeug im Straßenverkehr geführt wird, obwohl der dafür erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht mehr bestand.
Am 11.2.2012 gegen 20.50 Uhr befuhr eine unbekannt gebliebene Person mit dem auf den Namen des Angekl. zugelassenen und – wie diesem bekannt war – nicht haftpflichtversicherten Pkw der Marke S mit dem amtlichen Kennzeichen … , die Y-Straße in Z, was der Angekl. duldete.’
Diese Feststellungen rechtfertigen eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 PflVG nicht. Der objektive Tatbestand der Vorschrift setzt, soweit sie hier in Betracht kommt, voraus, dass der Täter den Gebrauch eines Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen oder Plätzen “gestattet’ (nicht: “duldet’), obwohl für das Fahrzeug der nach § 1 PflVG erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr besteht. Der Begriff “Gestatten des Gebrauchs’ erfordert, dass der Gestattende gegenüber dem Gebrauchenden eine übergeordnete Sachherrschaft an dem Fahrzeug hat (BGH NJW 1974, 1086; BayObLG VRS 15, 393; OLG Stuttgart VRS 19, 213; SenE v. 17.10.1986 – Ss 566/86, NJW 1987, 9...