Zu den Voraussetzungen der Streu- und Räumpflicht bei allgemeiner Glättebildung vgl. BGH zfs 2010, 132.
1. Kann jemand wegen Krankheit, Alter oder längerer Abwesenheit seine Streupflicht nicht erfüllen, hat er rechtzeitig Maßnahmen zu treffen, dass die Verpflichtung von anderen wahrgenommen wird (vgl. BGH VersR 1970, 182). Die vorliegende Entscheidung beendet den Streit darüber, ob die Winterdienstverträge, die zur Übernahme der Räum- und Streupflicht zwischen dem Verpflichteten und einem Unternehmer geschlossen werden, der sich verpflichtet, die erfolgreiche Bekämpfung von Schnee- und Eisglätte zu übernehmen, als Werkvertrag und nicht als Dienstvertrag einzuordnen ist. Die frühere Auffassung, wonach der Winterdienstvertrag zwischen Vermieter und Mieter als Dienstvertrag verstanden wurde (vgl. LG Hamburg WuM 1989, 622; LG Münster WuM 2004, 193; vgl. auch Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 556 Rn 143; Hitpaß/Kappus, NJW 2013, 565, 569) ist damit überholt. Bedeutsam war dies vor allem für die Fälle, in denen der Pflichtige, auf den die Räum- und Streupflicht wirksam übertragen worden war (vgl. Horst, NZM 2012, 313, 315), aus beruflichen Gründen, wegen Alters, Krankheit, Schwerbehinderung und Gebrechlichkeit verhindert war, der Räum- und Streupflicht zu genügen. Da der Mieter bei wirksamer Übernahme der Räum- und Streupflicht diese Arbeiten nach § 613 BGB höchstpersönlich vorzunehmen hatte, verblieb nur eine Delegation auf Dritte (vgl. Horst, NZM 2012, 513, 517). Umstritten ist, ob in diesen Konstellationen die Verpflichtung des Mieters wegen subjektiver Unmöglichkeit wegfällt und damit auch eine Ersatzkraft nicht gestellt werden muss (vgl. LG Münster WuM 2004, 193; LG Hamburg ZMR1989, 422; vgl. auch zum angenommenen Wegfall des Winterdienstes bei persönlicher Unzumutbarkeit OLG Dresden NZV 2001, 80); für Entfallen der Winterdienstpflicht bei Schwerbehinderung AG Münster WuM 2005, 648; bei Gebrechlichkeit AG Hamburg-Altona ZMR 2009, 537).
2. Die Gegenmeinung geht davon aus, dass der in eigener Person nicht mehr zur Erbringung von Winterdienstleistungen fähige Verpflichtete dafür Vorsorge treffen müsse, dass Dritte einspringen (vgl. LG Kassel WuM 1991, 580; LG Düsseldorf WuM 1988, 400; Drasdo, NJW-spezial 2011, 737, 738).
Ist eine Übertragung des Winterdienstes auf Dritte nur in der Form möglich, dass ein Unternehmer eingeschaltet wird, liegt es nahe, einen Unternehmer zu verpflichten.
Überzeugend ist die Qualifikation der übernommenen Verpflichtung unter Werkvertragsrecht. Da der Unternehmer die Beseitigung einer Gefahrenlage schuldet, dem Pflichtigen und auch den von der Gefahrenlage bedrohten Benutzern der zu räumenden Verkehrsfläche mit einem nicht erfolgsbezogenen Bemühen nicht gedient wäre, wenn die Gefahrenlage aus aufgetretener Glätte fortbesteht, erscheint allein die rechtliche Würdigung als Werkvertrag zutreffend (vgl. Schmid, NZM 2013, 669, 670). Das hat die Konsequenzen, dass eine persönliche Erbringung der Räum- und Streupflicht nach dem nur im Dienstvertragsrecht anwendbaren § 613 BGB nicht mehr anzunehmen ist. Im übrigen war die persönliche Leistungserbringung wegen abweichender verbreiteter Praxis durch Einspringen von Dritten nicht durchgängig praktiziert worden. Da der Mieter die Winterdienstleistungen wegen deren Einordnung als Werkvertrag nicht persönlich zu erbringen hat, wird er auch grds. bei persönlicher Unfähigkeit nicht leistungsfrei (vgl. § 275 Abs. 1 und 3 BGB). Bei der notwendigen Einschaltung eines Dritten zur Durchführung der Räum- und Streupflichten aufgrund eigener persönlicher Unfähigkeit ist auf die Zumutbarkeit der damit verbundenen Aufwendungen abzustellen (vgl. Schmid, N2M 2013, 669, 671 unter Hinweis auf § 276 Abs. 2 S. 2 BGB).
3. Der Werkvertrag zwischen räum- und streupflichtigen Anlieger oder Mieter und einem Unternehmer weist einige Besonderheiten auf.
a) Er ist zunächst ein Dauervertrag mit "revolvierenden", nicht von dem Besteller abzurufenden und damit von dem Unternehmer zu prüfenden Verpflichtungen (vgl. Horst, NZM 2012, 513, 519).
b) Bei wirksamer Übertragung der Winterdienstpflichten auf einen Unternehmer muss der originäre Winterdienstpflichtige den sekundär Verpflichteten regelmäßig kontrollieren (vgl. OLG Hamm NZM 2006, 195; OLG Hamm VersR 1990, 169). Verletzt er diese Kontrollpflicht, haftet er für Schäden von Benutzern der Verkehrsflächen aufgrund unzureichender Räum- und Streuarbeiten (vgl. BGH NJW 1996, 2646; OLG Celle VersR 1990, 169; Horst, NZM 2012, 513, 518). Im Regressweg kann er allerdings versuchen, den etwa gezahlten Schadensersatz an Unfallopfer bei dem Unternehmer einzutreiben.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 12/2013, S. 686 - 689