[7] "… I. Das BG hat ausgeführt, die vor dem LG S nach der Prozesstrennung neu entstandene Verfahrensgebühr sei mit der in dem Rechtsstreit gegen alle vier Bekl. vor dem LG D bis dahin erwachsenen Gebühr nicht identisch. Die in der vorgerichtlichen Tätigkeit gegen sämtliche Bekl. gemeinschaftlich begründete Geschäftsgebühr sei allein auf letztere anrechenbar."

[8] II. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nur im Ergebnis stand. …

[10] 2. Die Bekl. ist im geltend gemachten Umfang zur Freistellung verpflichtet. Zwar hat das BG verkannt, dass sich die Anrechnung der Geschäftsgebühr i.S.d. Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. – anteilig – auf die vor dem LG S angefallene Verfahrensgebühr erstreckt (unter a). Dieser gebührenrechtliche Fehler wirkt sich aber auf die Höhe der von der Bekl. aus dem Rechtsschutzfall zu tragenden Kosten nicht aus (unter b).

[11] a) Macht der Rechtsanwalt – wie hier – die Verfahrensgebühren aus den infolge der Prozesstrennung entstandenen gesonderten Einzelverfahren geltend, wird die vorgerichtliche Geschäftsgebühr auf diese jeweils anteilig gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. angerechnet.

[12] aa) Rechtsfehlerfrei hat das BG zunächst festgestellt, dass nach Prozesstrennung i.S. des § 145 Abs. 1 ZPO in dem Verfahren vor dem LG S eine eigenständige Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV a.F., Vorbem. 3 Abs. 2 RVG VV a.F. entstanden ist. In den aus der Prozesstrennung resultierenden Einzelverfahren fallen die vor der Prozesstrennung verdienten Gebühren bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen aus den jeweiligen Einzelstreitwerten erneut an (BverwG RVGreport 2010, 60 (Hansens); OLG Brandenburg AGS 2011; OLG Düsseldorf OLGR 2000,74; zur Prozessverbindung: Senatsbeschluss zfs 2010, 402 m. Anm. Hansens = RVGreport 2010, 314 (Hansens); BGH RVGreport 2010, 334 (Hansens). § 15 Abs. 2 S. 1 RVG a.F. verhindert den wiederholten Gebührenanfall nicht; er verbietet lediglich die – hier gerade nicht vorgenommene – kumulative Geltendmachung von in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit mehrfach entstandenen Gebühren (BVerwG a.a.O.; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 778).

[13] bb) Nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. wird, soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr i.S.v. Teil 2 des RVG VV a.F. entsteht, diese zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

[14] (1) Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigen bei wertender Betrachtung des ihnen erteilten Auftrags vorprozessual dieselben Rechte oder Rechtsverhältnisse und damit dieselben Gegenstände wie im Gesamt- und in den gesonderten Einzelverfahren betraf (vgl. BGH zfs 2012, 163 m. Anm. Hansens = RVGreport 2012, 71 (Hansens)). Auf die Anrechnung kann sich die Bekl. als Dritte gem. § 15a Abs. 2 Var. 1 RVG a.F. berufen (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. § 15a Rn 130).

[15] Die Anrechnung mindert die Verfahrensgebühr nicht allein bei deren zeitlich erstem Anfall im Gesamtverfahren bis zur Trennung, sondern ebenso bei deren wiederholtem Entstehen im weiteren Verfahrensverlauf. Dies folgt aus dem insoweit vorbehaltlosen Wortlaut ihrer Anordnung in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. sowie ihrem Sinn und Zweck, eine außergerichtliche Erledigung zu fördern und eine doppelte Honorierung von – zumindest annähernd – gleichen Tätigkeiten, die in unterschiedlichen gebührenrechtlichen Angelegenheiten anfallen, zu verhindern (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., Vorbem. 3 VV Rn 1, 245).

[16] (2) Grundlage der Berechnung des nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. anrechenbaren Gebührenanteils ist allein die tatsächlich entstandene Gesamtgeschäftsgebühr, nicht hingegen eine fiktive Geschäftsgebühr nach dem Streitwert des jeweiligen Einzelverfahrens (zur Parallelproblematik des Übergangs einer mehrere Gegenstände umfassenden außergerichtlichen Angelegenheit in verschiedene gerichtliche Verfahren: Gerold/Schmidt/Müller-Rabe Vorbem. 3 VV Rn 303 f.; a.A. N. Schneider, Fälle und Lösungen zum RVG 3. Aufl. § 8 Rn 37). Einer solchen Gebührenfiktion stehen der Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV a.F. sowie im Rahmen eines Rechtsschutzversicherungsvertrags die in diesem regelmäßig vereinbarte Pflicht des Versicherers zur Übernahme der “erforderlichen‘, d.h. der tatsächlich entstandenen, Kosten entgegen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O. Rn 295, 304; BGH RVGreport 2010, 334 (Hansens)). Die Anrechnung gem. S. 3 a.F. nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, knüpft an die Bestimmung S. 1 a.F. an und lässt die Fiktion einer tatsächlich nicht angefallenen Geschäftsgebühr ebenfalls nicht zu.

[17] (3) Der anrechenbare Anteil der Geschäftsgebühr wird auf alle Verfahrensgebühren angerechnet, die in den aus einer Prozesstrennung hervorgegangenen Einzelverfahren anfallen. Entgegen der Revision wird er allerdings nicht in jedem der Einzelverfahren in voller Höhe in Ansatz gebracht. Der...

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