"… Die zulässige Berufung ist in ihrem nach der Teil-Rücknahme noch zur Entscheidung offenen Umfang begründet. Der Ansatz einer Haftungsquote der Beklagtenseite von mehr als ½ ist nicht gerechtfertigt, da der Bekl. zu 1) – anders als vom LG angenommen – nicht gegen die in § 10 StVO normierten Sorgfaltspflichten verstoßen hat."
1. Die Bekl. sind der Kl. aufgrund des Verkehrsunfalls gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet (§ 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG), jedoch nicht über die hälftige Quote hinausgehend, die als Folge der Berufungsbeschränkung noch im Streit ist.
a) Dem Bekl. zu 1) ist keine Missachtung eines aus dem Rechtsgedanken des § 10 StVO abgeleiteten Vorfahrtsrechts anzulasten, sondern nur ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1 StVO.
aa) Die Vorschrift des § 10 StVO kann an der in Rede stehenden Unfallstelle nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten keine analoge Anwendung finden.
(1) Gem. § 10 StVO haben diejenigen Verkehrsteilnehmer, die aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone, aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren wollen, sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Was Fahrspuren auf Parkplätzen betrifft, die grds. nicht dem fließenden Verkehr dienen, sieht die Rspr. nur ausnahmsweise in solchen Fällen Raum für eine analoge Anwendung des § 10 StVO, in denen verschiedene Bereiche des Parkplatzes sich im Verhältnis zueinander nach dem objektiven Erscheinungsbild als über- und untergeordnete Verkehrsflächen darstellen; verleiht die bauliche Gestaltung oder Markierung einer bestimmten Teilfläche – etwa einem Zu- und Abfahrtsweg – einen eindeutigen Straßencharakter, dann sind die angrenzenden Teilflächen – etwa die einzelnen Parkgassen – als (insoweit untergeordnete) “andere Straßenteile‘ einzustufen (vgl. nur OLG Hamm, Urt. v. 6.10.1993 – 13 U 91/93, r+s 1994, 52, juris Rn 6; OLG Köln, Urt. v. 3.12.1998 – 1 U 73/98, MDR 1999, 675, juris Rn 4; KG, Beschl. v. 12.10.2009 – 12 U 233/08, VRS 118, 348, juris Rn 8; jeweils m.w.N.). Ein eindeutiger Straßencharakter einer nur als Zubringer zu den Parkgassen dienenden Teilfläche ist in Fällen bejaht worden, in denen die betreffende Fahrbahn zum einen zweispurig mit Mittellinie gestaltet (KG, a.a.O., juris Rn 9; OLG Köln, a.a.O., juris Rn 5) und zum anderen seitlich durch bauliche Anlagen in Form von kleinen Hecken und Büschen (so im Berliner Fall) bzw. von Straßenlaternen und Betonpflanzkübeln abgegrenzt war (so im Kölner Fall, in dem das Gericht hinsichtlich des Eindrucks der Bevorrechtigung zusätzlich auf eine vorhandene durchgezogene Linie zur Parkgasse abstellte). Demgegenüber spricht eine örtliche Situation, bei der die Fahrbahnoberflächen sich nicht unterscheiden, eine Mittelstreifenmarkierung des Zubringers fehlt und keine deutlichen seitlichen Abgrenzungen vorhanden sind, gegen die Annahme einer Über- und Unterordnung (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn 8).
(2) Nach diesen Maßstäben kommt eine analoge Anwendung des § 10 StVO hier nicht in Betracht. Unter Berücksichtigung der übergebenen Lichtbilder von der Unfallstelle und der vom LG anlässlich der Einnahme eines Augenscheins vor Ort ergänzend getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist es in der Gesamtschau nicht gerechtfertigt, dem um den Stellplatzbereich herumführenden Zu- und Abfahrtsweg einen eindeutigen Straßencharakter mit der Folge zuzuschreiben, dass die in diesen Weg einmündenden Parkgassen als untergeordnete Verkehrsflächen i.S.d. § 10 StVO zu behandeln wären. Die Fahrbahnoberfläche ist durchgehend, insb. auch im Bereich der Einmündungen, einheitlich gestaltet. Fahrbahnmarkierungen, die den Eindruck einer Über- und Unterordnung vermitteln könnten, sind weder auf dem Zu- und Abfahrtsweg (in Form einer Mittellinie) noch an den Einmündungen (nach Art einer Haltelinie) vorhanden. Der vom LG erwähnte Grünstreifen spielt für die Beurteilung keine Rolle, da er keine “Binnen-Abgrenzung‘ vornimmt, sondern lediglich den gesamten Parkplatz als solchen von der vorbeiführenden öffentlichen Hauptstraße trennt. Die verbleibenden Besonderheiten der baulichen Gestaltung – Breite des Zubringers, Überdachung der Stellplätze – haben kein ausreichendes Gewicht, um den für eine entsprechende Anwendung des § 10 StVO erforderlichen eindeutigen Eindruck zu vermitteln. Insb. kann die Überdachung nicht als ein wesentliches Kriterium herangezogen werden, weil sie nicht mit vergleichbarer Signalwirkung wie Begrenzungssteine oder Pflanzstreifen für eine bauliche Trennung von Teilflächen sorgt. Wie ein überdimensionaler Carport wirkt der Stellplatzbereich schon deshalb nicht, weil die Überdachung gerade im Bereich der Parkgassen jeweils unterbrochen ist. Wer “unter freiem Himmel‘ zwischen Stellplätzen hindurchfährt, dem drängt sich bei der Annäherung an eine...