BGB § 249 § 253 Abs. 2 § 823; StVG § 7 Abs. 1 § 11 S. 2 § 17 § 18 Abs. 1; PflVG a.F. § 3
Leitsatz
1. Bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe kann auch der unstreitige oder/und erwiesene Sachverhalt nicht außer Betracht bleiben, wenn er ein grobes Verschulden des Schädigers belegt.
2. Eine verzögerte Schadensregulierung kann als Bemessungsfaktor Berücksichtigung finden. Voraussetzung hierfür ist es, dass sich der leistungsfähige Schuldner einem erkennbar begründeten Anspruch ohne schutzwürdiges Interesse widersetzt und hierdurch das Leiden des Geschädigten aufgrund der überlangen Regulierungsdauer vergrößert.
3. Bei einem unbeziffert geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch stehen dem Anspruchsteller Rechtshängigkeitszinsen gem. § 291 BGB wegen des gesamten zuerkannten Schmerzensgeldbetrages zu.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.2.2015 – 4 U 26/14
Sachverhalt
Der Kl. begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Straßenverkehrsunfalls im Begegnungsverkehr. Der Kl. befuhr eine Landesstraße mit seinem Pkw. Ihm begegnete der Bekl. zu 1) mit seinem Pkw. Die zum Umfallzeitpunkt regennasse Fahrbahn verengte sich im Bereich der Unfallstelle auf 3,3 Meter. In Fahrtrichtung des Bekl. zu 1) beschreibt die Landesstraße eine Rechtskurve. In Fahrtrichtung des Kl. verläuft die Fahrbahn im Wesentlichen gerade. Die Sicht des Bekl. zu 1) war beim Durchfahren der Kurve durch ein etwa 2 Meter hohes Maisfeld beeinträchtigt. Zwischen den Parteien ist es streitig, auf welcher Fahrbahnhälfte sich der Unfall ereignet hat. Der Kl. befand sich v. 25.8.2006 bis zum 15.9.2006 in stationärer Behandlung. Die Haftpflichtversicherung des Bekl. zu 1), die Bekl. zu 2) zahlte an den Kl. vorprozessual ein Schmerzensgeld von 11.000 EUR. Das LG hat die Bekl. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kl. ein Schmerzensgeld von 25.000 EUR abzüglich der bereits gezahlten. 11.000 EUR zu zahlen. Mit der Berufung verfolgt der Kl. die Zubilligung eines Schmerzensgeldes, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Der Kl. hält das von dem LG zuerkannte Schmerzensgeld für zu niedrig. Der Senat hat dem Kl. ein Gesamtschmerzensgeld von 35.000 EUR und dabei von dem LG nicht berücksichtigte Bemessungsgründe – die grob fahrlässige Herbeiführung des Schadens durch den Bekl. zu 1) und das Regulierungsverhalten der Bekl. – erörtert.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Das LG ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Bekl. als Gesamtschuldner in vollem Umfang zum Ersatz der durch den Verkehrsunfall v. 25.8.2006 bedingten materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet sind. Dies ergibt sich aus der als Grund- und Teilurteil anzusehenden Entscheidung des LG v. 30.12.2009 und dem Senatsurt. v. 21.12.2010, in dem die vollumfängliche samtverbindliche Haftung der Bekl. gem. den §§ 7, 11, 17, 18 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung bejaht worden ist."
2. Demzufolge steht dem Kl. aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen ein Schmerzensgeld gem. §§ 11 S. 2 StVG, 253 Abs. 2 BGB zu, das der Senat über den vom LG angenommenen Gesamtbetrag von 25.000 EUR unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles mit insgesamt 35.000 EUR bemisst.
a) Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien. Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren. Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes. Hierbei kommt es nicht zuletzt auf das Alter des Geschädigten an; denn ein und dieselbe Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden (Senat NJW 2011, 933, 935 m.w.N.). Bei der Schmerzensgeldbemessung nach diesen Grundsätzen verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten “richtigen‘ Schmerzensgeldhöhe zu führen (Senat NJW 2011, 933, 935).
b) Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das BG d...