RVG §§ 16 Abs. 1, 55, 56; VV RVG Nr. 7003; GKG KV Nr. 9003

Leitsatz

Fahrtkosten einer Angestellten des Pflichtverteidigers zur Abholung und Rückgabe der Gerichtsakten zwecks Akteneinsicht im Revisionsverfahren sind dann nicht gem. § 46 Abs. 1 RVG zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich, wenn der Verteidiger sich die Akten mit der Post hätte übersenden lassen können. In diesem Fall ist nur die ersparte Aktenversendungspauschale zu ersetzen.

(Leitsatz der Schriftleitung)

LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 30.6.2015 – 2 Ks 111 Js 24024/11

Sachverhalt

Das LG Dessau-Roßlau hatte der Angekl. den in Aken kanzleiansässigen RA zum Pflichtverteidiger bestellt. Aken liegt in der Nähe des Gerichtsortes Dessau-Roßlau. Gegen das die Angekl. am 6.5.2014 vom Vorwurf des versuchten Todschlags freisprechende Urteil des LG legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Nebenkläger rechtzeitig Revision ein. Die Revisionsbegründungsschriften der Staatsanwaltschaft v. 24.7.2014 und des Nebenklägervertreters v. 25.7.2014 wurden dem Verteidiger am 30.7.2014 zugestellt. Der Verteidiger, der zuletzt kurz vor dem Beginn der Hauptverhandlung am 18.3.2014 Akteneinsicht genommen hatte, beantragte am 30.7.2014 per Telefax erneut Akteneinsicht. Am 31.7.2014 holte eine Angestellte der Kanzlei des Pflichtverteidigers persönlich die Akten beim LG ab und brachte sie noch am selben Tage zurück. Mit Schriftsatz v. 6.8.2014 hat der Verteidiger eine Revisionsgegenerklärung abgegeben. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision am 4.9.2014 zurückgenommen. Die Revision des Nebenklägers hat der BGH durch Beschl. v. 18.11.2014 als unbegründet verworfen. Die der Angekl. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat der BGH dem Nebenkläger auferlegt. Das LG Dessau-Roßlau hat später die durch die Revision der Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Angekl. der Landeskasse auferlegt.

Mit "Kostenfestsetzungsantrag" v. 25.11.2014 beantragte der Verteidiger neben der Festsetzung der Gebühren und notwendigen Auslagen der ehemaligen Angekl. die Erstattung von Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG i.H.v. 18 EUR für die Abholung und Rückbringung der Akten am 31.7.2014 zzgl. 19 % Umsatzsteuer. Das LG Dessau-Roßlau hat durch "Kostenfestsetzungsbeschluss" v. 29.4.2015 die der ehemaligen Angekl. zu erstattenden notwendigen Auslagen antragsgemäß auf 813,60 EUR festgesetzt. Nicht berücksichtigt wurden dagegen die Fahrtkosten des Verteidigers, da die Fahrt nicht notwendig gewesen sei.

Mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung hat sich der Verteidiger gegen die Absetzung der Fahrtkosten gewandt. Dies hat er damit begründet, er habe die Akten für die Revisionsgegenerklärung benötigt. Da diese Erklärung innerhalb einer Woche nach Zustellung der Revisionsbegründung abgegeben werden müsse, sei eine Versendung der Akten aufgrund der langen Postlaufzeiten nicht mehr in Betracht gekommen. Deshalb habe er die Akten durch eine Mitarbeiterin seiner Kanzlei abholen und zurückbringen lassen.

Die Erinnerung hatte teilweise Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … Die Erinnerung ist zulässig und teilweise auch begründet."

Der Erinnerungsführer hat einen Anspruch auf die Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR zzgl. Mehrwertsteuer i.H.v. 2,28 EUR für das Revisionsverfahren.

Nach Nr. 9003 KV GKG beträgt die Aktenversendungspauschale für die bei der Hin-und Rücksendung der Akten anfallenden Auslagen an Transportkosten 12 EUR. Unerheblich ist insoweit, dass der Verteidiger bereits Akteneinsicht hatte. Wird in einem Verfahren aufgrund eines erneuten Antrags die Akte nochmals übersandt, so lässt dies auch die Aktenversendungspauschale ein weiteres Mal entstehen. Die Akteneinsicht war auch geboten, da der Verteidiger noch keine Einsicht in den Protokollband hatte, welche jedoch zur Begründung der Revisionsgegenerklärung regelmäßig erforderlich ist.

Ein über die Pauschale hinausgehender Anspruch auf Reisekosten nach Nr. 7003 VV RVG steht dem Verteidiger jedoch gem. § 46 Abs. 1 RVG nicht zu. Es war zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich, dass der Verteidiger die Akten durch einen Mitarbeiter seiner Kanzlei mit einem Fahrzeug abholen und wieder zurückbringen ließ. Dem Verteidiger war bereits mit der Zustellung des Urteils mitgeteilt worden, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Nebenkläger Revision eingelegt haben. Insofern hätte er bereits frühzeitig Akteneinsicht beantragen können, so dass ihm die Akten einschließlich des Protokollbandes mit der Post hätten übersandt werden können. In diesem Fall wäre die Aktenversendungspauschale i.H.v. 12 EUR angefallen, die er auch erstattet bekommt. Sofern er dies versäumt hat und deshalb durch die Fahrtkosten zur Durchführung der Akteneinsicht höhere Kosten entstanden sind, kann er diese Kosten mangels Notwendigkeit nicht ersetzt verlangen.

Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 RVG).“

3 Anmerkung:

Die Entscheidung hat praktische Bedeutung in allen gerichtlichen ...

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