" … Der Kl. kann von dem Bekl. aufgrund des behandlungsfehlerbedingt eingetretenen Gesundheitsschadens eine billige Entschädigung in Geld fordern, §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB."

Das Schmerzensgeld soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Natur sind. In erster Linie bilden die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer und das Ausmaß der Beeinträchtigungen der Lebensführung im privaten und beruflichen Bereich die wesentliche Grundlage für die Bemessung der Entschädigung.

Nachdem sich der Senat durch Anhörung des Kl. und Vernehmung der Zeugin N ein Bild von den Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Lebensführung des Kl. gemacht hat, hält er ein Schmerzensgeld i.H.v. 200.000 EUR für angemessen.

Der Kl. ist durch das Frontalhirnsyndrom als Folge der Schädelbasisverletzung in ganz erheblichem Maße in seiner Lebensführung beeinträchtigt. Seiner beruflichen Tätigkeit als Rangierer kann er nicht mehr nachgehen. An seiner schadensbedingten Berufungsunfähigkeit bestehen keine vernünftigen Zweifel. Ausgehend von den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. I und den glaubhaften Angaben des Kl. kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Kl. infolge der durch das Frontalhirnsyndrom bedingten Einschränkungen nicht in der Lage war und ist, seine Tätigkeit als Rangierer auszuüben. Insb. die sachverständig festgestellten Orientierungsschwierigkeiten, die eingeschränkte Konzentration und die festgestellte Kurzzeitgedächtnisstörung belegen, dass er die an einen Rangierer zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen konnte und kann. Und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Zustand des Kl. in der Zukunft entscheidend bessern und er eine berufliche Tätigkeit wieder aufnehmen können wird. Der Kl. bezieht eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. …

Aufgrund der glaubhaften Angaben des Kl. und der Zeugin N ist der Senat ferner davon überzeugt, dass der Kl. durch den Eingriff in nahezu allen Bereichen des privaten Alltags überaus erheblich eingeschränkt ist. Während er früher die Kampfsportart Win Shu mit Leidenschaft ausgeübt hat, ist ihm dies heute nur noch ganz eingeschränkt möglich. Spaziergänge in ihm unbekannter Gegend kann der Kl. nur in Begleitung durchführen. Ein Auto kann der Kl. nicht steuern. Arbeiten im Haushalt kann der Kl. nur in geringem Maße und nur unter Anleitung ausführen. Mit Lesen oder Fernsehen beschäftigt sich der Kl. nur selten und dann lediglich kurz und i.d.R. ohne Interesse. Freude empfinden kann der Kl., der nach Angaben seiner Lebensgefährtin früher ein aktiver und fröhlicher Mensch war, nur noch selten. Er sitzt die meiste Zeit zuhause und tut nichts. Freunde und Bekannte haben sich weitgehend von ihm zurückgezogen. Die Beziehung zu seiner langjährigen Lebensgefährtin besteht weiter, ist jedoch nach den eindrücklichen Schilderungen der Zeugin N durch die kognitiven Defizite des Kl., die damit verbundene Unselbstständigkeit und durch seine Wesensveränderung sehr belastet. Das Sexualleben ist weitgehend zum Erliegen gekommen.

Die Anhörung des Kl. und Vernehmung der Zeugin N haben dem Senat deutlich gemacht, dass der Kl. unter seiner Wesensveränderung und seinen kognitiven Einschränkungen leidet. Er erlebt sie bewusst. Er weiß, was ihn früher als Person ausgemacht hat und wie er sich seit der Operation verändert hat. Er kennt seine kognitiven Defizite und erlebt sie täglich aufs Neue. Das bewusste Erleben seiner Einschränkungen wirkt sich in nachvollziehbarer Weise negativ auf sein Gefühlsleben aus. Er ist laut Angaben seiner Lebensgefährtin häufig aggressiv und traurig. Auf die Frage des Senatsvorsitzenden, was er am meisten vermisse, hat der Kl. in der mündlichen Verhandlung eindrucksvoll geantwortet, dass er “den alten K vermisse’.

Darüber hinaus hat der Kl. seinen Geruchssinn vollständig verloren und er kann nur noch Salziges und Süßes schmecken.

Das durch die Verletzung bedingte Leiden und das Ausmaß der aller Voraussicht nach lebenslangen Beeinträchtigungen in der Lebensführung rechtfertigen ein hohes Schmerzensgeld, das der Senat mit einem Betrag von 200.000 EUR als angemessen erachtet.

Das von dem Bekl. für angemessen gehaltene Schmerzensgeld i.H.v. 30.000 EUR wird der Schwere der Verletzung und ihren Auswirkungen auf das Leben des Kl. keinesfalls gerecht. Entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Kl. im Schriftsatz vom 14.3.2016 kann das Schmerzensgeld aber auch nicht einen Betrag von 500.000 EUR erreichen und damit in einem Bereich liegen, der nach der Rspr. Fällen von massiven körperlichen und geistigen Schädigungen in der denkbar schlimmsten Form und Ausprägung vorbehalten ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen verzögerlichen Regulierungsverhalten hält der Senat nicht für angezeigt, denn es war selbst nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. M nicht völlig unvertretbar, die B...

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