VVG § 128
Leitsatz
Haben verschiedene erstinstanzliche Gerichte einen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller eines Kfz wegen Inverkehrbringens eines Kfz mit manipulierter Abgassoftware bereits bejaht, ist in einem Deckungsrechtsstreit gegen den Rechtsschutzversicherer die hinreichende Erfolgsaussicht anzunehmen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.9.2017 – 4 U 87/17
Sachverhalt
Die Parteien sind durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag miteinander verbunden, aus dem der Kl. die Bekl. auf Deckung wegen des Kaufs eines vom sog. VW-Abgasskandal betroffenen Pkw in Anspruch nimmt. Der Versicherung liegen die von den Parteien nicht vorgelegten ARB 2000/1 zugrunde.
Der Kl. erwarb unter dem 28.4.2011 einen VW-S bei der H, einer VW-Vertragshändlerin, als Neuwagen zum Preis von 37.786,67 EUR. Das Fahrzeug ist vom sog. VW-Abgasskandal betroffen und deswegen mangelhaft, wobei Ausmaß und Folgen des Mangels zwischen den Parteien streitig sind.
Mit Anwaltsschreiben v. 27.11.2015 bat der Kl. die Bekl. um Deckungszusage für die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Verkäuferin und die Herstellerin des Pkw. Die Bekl. lehnte mit Schreiben v. 14.12.2015 die beantragte Deckung ab, erklärte indes mit Schreiben vom gleichen Tage gegenüber dem Kl. die Kostenübernahme für die Erstberatung bei einem Rechtsanwalt.
Die Händlerin wies in der Folgezeit ein Rücktrittsverlangen hinsichtlich des Kaufvertrages zurück; Einzelheiten dazu sind nicht vorgetragen. Mit Anwaltsschreiben v. 7.1.2016 bat der Kl. darauf um Deckungszusage für die gerichtliche Anspruchsdurchsetzung, die die Bekl. indes mit Schreiben v. 22.1.2016 ablehnte. Wegen der Einzelheiten einer beabsichtigten Klage verwies der Kl. jedenfalls im Rechtsstreit auf einen Musterklageentwurf. Eine weitere Deckungsanfrage v. 25.1.2017 wies die Bekl. mit Schreiben v. 7.2.2017 zurück. Erst nach Abschluss der ersten Instanz des hiesigen Verfahrens erteilte die Bekl. hinsichtlich der außergerichtlichen und gerichtlichen Interessenwahrnehmung gegenüber der H mit Schreiben v. 20.4.2017 eine Deckungszusage.
Der Kl. hat die Ansicht vertreten, die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung sei bereits gem. § 128 S. 3 VVG zu fingieren, da der Hinweis auf das Schiedsgutachterverfahren gem. § 18 Abs. 2 ARB in der Deckungsablehnung vom 14.12.2015 aus mehreren Gründen unzutreffend sei. …
2 Aus den Gründen:
" … 2. Die Klage ist auch hinsichtlich des gegen die Fahrzeugherstellerin gerichteten Deckungsbegehrens begründet."
a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der streitgegenständliche Sachverhalt von der zwischen ihnen bestehenden Rechtsschutzversicherung erfasst wird; insb. wendet die Bekl. weder ein, dass die erforderliche Leistungsart nicht vereinbart worden wäre oder der Rechtsschutzfall vorvertraglich sei. …
b) Soweit sich die Bekl. zumindest in der Klageerwiderung darauf berufen hat, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Kl. mutwillig sei, ist dies bereits deshalb unerheblich, weil sie selber vorträgt, die Deckung ursprünglich nicht wegen Mutwilligkeit abgelehnt zu haben und diesbezüglich – unstreitig – jedenfalls keinen Hinweis i.S.v. § 128 S. 3 VVG erteilt hat, so dass sie nunmehr mit dem Einwand ausgeschlossen ist (vgl. OLG Karlsruhe zfs 2017, 96, juris; BGH zfs 2003, 364).
c) Für die vom Kl. gegen die Herstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht.
aa) Nach st. Rspr. des BGH … ist die hinreichende Erfolgsaussicht nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen zu prüfen. Dies bedeutet, dass der Standpunkt des VN nach den von ihm aufgestellten Behauptungen und den ihm bekannten Einwendungen des Gegners zumindest vertretbar sein muss. …
Darüber hinaus ist erforderlich, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Erfolges besteht, denn allein aus dem Umstand, das eine von einer in Lehre und Rspr. herrschenden Auffassung abweichende Ansicht vertretbar erscheint, ergibt sich noch nicht, dass eine hierauf gegründete Klage hinreichende Erfolgsaussicht bietet. So fehlt es am Vorliegen hinreichender Erfolgsaussicht, wenn das Prozessziel nur auf der Grundlage einer zwar vertretbaren, aber von Lehre und st. Rspr. mehrheitlich oder gar einhellig abgelehnten Meinung erreicht werden kann, es sei denn, es werden zur Begründung der vertretenen abweichenden Auffassung neue, noch nicht erörterte Argumente vorgebracht, die eine Änderung der h.M. als zumindest möglich erscheinen lassen (Senat VersR 1991, 65).
Es muss zudem als möglich erscheinen, dass der VN den Beweis der von ihm zu beweisenden Tatsachen mit Hilfe zulässiger und geeigneter Beweismittel zu führen vermag. Eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung darf jedoch bei der Prüfung der Erfolgsaussichten grds. nicht stattfinden (BGH a.a.O.) Etwas anderes kann gelten, wenn ein Beweismittel schon in einem anderen Verfahren gerichtlich gewürdigt worden ist oder die Klage auf bewusst falschem Vorbringen basiert, mit dessen Widerlegung zu rechnen ist (Armbrüster,...