Zum Nachweis eines ersatzpflichtigen Schockschadens bei dem Miterleben des Unfalltodes eines Angehörigen siehe BGH zfs 2015, 382 m. Anm. Diehl.
1. Psychische Beeinträchtigungen können dadurch herbeigeführt werden, dass der Geschädigte ein Unfallereignis eines anderen miterlebt, nach dem Ereignis den Anblick von Unfallfolgen ausgesetzt ist oder nach dem Unfallereignis, das er nicht wahrgenommen hat, die Nachricht von dem Unfallereignis erhält (vgl. Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 8. Aufl., Rn 883). Diese von dem BGH herausgearbeiteten Erscheinungsformen der Auslösung eines Schockschadens (vgl. die Nachweise in der Anmerkung zu BGH zfs 2015, 382, 384) geben Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schockschadens wieder, wobei das Miterleben des Unfalls die größte Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens des "Beobachters" hat (vgl. schon BGH zfs 2016, 382 Rn 10 und 11). Dass das Miterleben des Unfalls und des Sterbens ihres Ehemanns den Grad der psychischen Beeinträchtigung der Kl. wesentlich vergrößert hat, ist auch aus medizinischer Sicht durch den Gutachter bestätigt worden (UG 2a) aa) 2). Damit stellt die Art der Wahrnehmung des Unfalls durch den Geschädigten nicht nur eine zur Übersichtlichkeit der Schädigung es Opfers führende Systematisierung dar, sondern vor allem eine für die Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die Gesundheitsbeeinträchtigung des Geschädigten sprechende Erwägung.
2. Die zur Einschränkung der Ersatzpflicht für Schockschäden aus dem graduellen "Miterleben" des Unfallereignisses führenden Zurechnungsbedenken rühren daher, dass der Beobachter von Unfall und Unfallfolgen nicht selbst körperlich, sondern allenfalls psychisch beeinträchtigt worden ist. Umschreibungen dieser Situation mit den Begriffen "Fernwirkungsschaden" oder die Bezeichnung des unfreiwilligen Beobachters als "mittelbarer Geschädigter" verschleiern, dass bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Haftung (Gesundheitsbeeinträchtigung des "Beobachters") und der zusätzlich zu prüfende Nähebeziehung zu dem Opfer des Unfallereignisses (dazu unter 2) eine direkte Schädigung des Beobachters vorliegt. Gesundheitsverletzungen können auch durch psychische Beeinträchtigungen herbeigeführt werden, die auf der Verarbeitung des miterlebten oder mitgeteilten Unfalls Dritter beruhen und einen eigenen – unmittelbaren – Schaden des Beobachters herbeiführen. Adäquanz der Schadenszufügung ist gegeben, da ein optimaler Beobachter das Miterleben von Tod oder Verletzung einer anderen Person – bei großem Nähegrad des Beobachters zu dem Betroffenen mit größerer Wahrscheinlichkeit – nach der Lebenserfahrung voraussehen wird.
3. Anders als bei körperlichen Verletzungen, deren Vorliegen evident ist, bedürfen psychische Beeinträchtigungen aufgrund eines Schockschadens, die auf einer nicht geglückten psychischen Verarbeitung beruhen, einer Diagnose nach einem anerkannten Diagnoseschlüssel, sei es der ICD-10 der WHO oder der DSM IV oder V der amerikanischen psychiatrischen Assoziation (AfA). Das Unterlassen einer solchen Diagnose ist verfahrensfehlerhaft (vgl. Burmann/Quaisser, NJW-sp. 2017, 329; vgl. auch Clemens/Schottmam, in: Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrechts, 6. Aufl., Kapitel 91 Rn 1–6; Clemens/Hack/Schottmann/Schwab, DAR 2008, 9). Die Deutung der psychischen Störungen unter Heranziehung der erwähnten Diagnosesysteme stellt die einzige Möglichkeit der Einordnung der Beschwerden dar (vgl. Anmerkung zu BGH zfs 2015, 435). Die posttraumatische Belastungsstörung kann auch bei Verkehrsunfällen wie dem vorliegenden auftreten, wenn der Unfall schwerwiegend ist und seelische Erschütterungen auslöst, die über das normale Maß an Schmerz, Trauer und Nieder geschlagenheit hinausgehen, die erfahrungsgemäß ein Angehöriger bei einem Trauerfall erleidet (vgl. BGH NJW 1971, 1883; BGH zfs 2015, 382, 383). Die Beschränkung der Definition auf Angehörige erklärt sich damit, dass wegen der im Folgenden darzustellenden Beschränkung des Schadensersatzanspruchs wegen Schockschäden auf Angehörige sonstige Personen keinen Versuch der Durchsetzung von Ersatzansprüchen unternommen haben. Die Beschränkung der Ansprüche wegen Schockschäden auf Personen, die sich in einer Nähebeziehung zu dem Opfer des "Ausgangsunfalls" befinden, wird zum einen damit gerechtfertigt, dass nach der Wertung des § 844 BGB grds. nur unmittelbare Schäden des Opfers mit Ausnahme der dort aufgeführten Ansprüche auszugleichen sind. Sehr überzeugend erscheint das deshalb nicht, weil der aufgetretene Schockschaden des Angehörigen, wenn er denn den erforderlichen Schweregrad hinsichtlich der Trauerarbeit erreicht, einen eigenen Anspruch des Dritten begründet, Argumente aus dem Rechtsverhältnis des Geschädigten zu dem Schädiger des Ausgangsverhältnisses damit verfehlt sind.
Die Beschränkung möglicher Anspruchssteller auf Angehörige oder Personen mit einer besonderen Nähebeziehung zu dem Opfer der Ausgangsschädigung wird auf das Eingreifen des anspruch...