Auch hier hat das Gericht klargestellt, dass bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe das Verhalten des Schädigers im Rahmen der Schadensbearbeitung zu berücksichtigen ist, und zwar insbesondere dann, wenn die Regulierung mittels unverständlicher Einwände verweigert und dem Geschädigten auf diese Weise erheblicher zusätzlicher seelischer Schmerz zugefügt wird.
Im vorliegenden Fall hatten alle mit dem Fall befassten Gutachter Behandlungsfehler der Beklagten bestätigt. Dennoch ist es zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens zu echten Vergleichsverhandlungen gekommen, sondern die Versicherung hat eine gütliche Einigung stets abgelehnt, weil man von der Haftung dem Grunde nach nicht überzeugt sei. Diese Einwände waren nach Ausführungen der Kammer derart unverständlich, dass sie nicht mehr als der Beklagten selbstverständlich zustehende Maßnahmen der Rechtsverteidigung qualifiziert werden konnten, da sie schlechterdings unverständlich waren. Das Gericht wertete dieses Verhalten als schmerzensgelderhöhend.
Wörtlich führt das Gericht aus:
"Bei der Bemessung der Schmerzensgeldhöhe kann auch das Verhalten des Schädigers nach der Schadenszufügung nicht unbeachtet bleiben, und zwar insbesondere dann, wenn die Regulierung mittels unverständlicher Einwände verweigert und dem Geschädigten auf diese Weise erheblicher zusätzlicher seelischer Schmerz zugefügt wird. Das Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung der Beklagten, das dieser zuzurechnen ist, ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen. Zwar steht es jedem Beklagten frei, sich gegen den Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu verteidigen. Vorliegend haben jedoch alle seit 2011 mit dem Fall befassten Gutachter Behandlungsfehler der Beklagten bestätigt. Dennoch hat die Beklagte während des Verfahrens zwar ab und an Bereitschaft zur Regulierung signalisiert, zu einem echten Einstieg in Vergleichsverhandlungen hat sie sich indes nie bereit erklärt und nach jeweiliger Ausschöpfung der ihr gesetzten Fristen mitgeteilt, dass eine gütliche Einigung ausscheide, weil man nicht von einer Haftung dem Grunde nach überzeugt sei. Dabei waren insbesondere die Arten der Einwände teilweise derart unverständlich dass sie nicht mehr als der Beklagten selbstverständlich zustehende Maßnahmen der Rechtsverteidigung qualifiziert werden können. So erscheint es schlechterdings unverständlich wie die Beklagte angesichts der eigenen Dokumentation daran festhielt, zu behaupten, ihr sei der enorme vaginale Blutverlust der Mutter des Klägers bei Aufnahme nicht mitgeteilt worden. Entsprechendes gilt für die Diagnose der (partiellen) vorzeitigen Plazentalösung, deren objektives Vorliegen, d.h. nicht lediglich deren Erkennbarkeit, die Beklagte bis zuletzt geleugnet und den Inhalt des Operationsberichts absichtsvoll darauf reduziert hat, dass die Plazenta manuell habe gelöst werden müssen, obwohl der Operateur im Bericht selbst als Diagnose eine beginnende Plazentalösung als wahrscheinlichste Diagnose festgestellt hat und obwohl sie selbst einräumt, dass sich "retrospektiv in Bezug auf die im weiteren Verlauf gewonnenen Erkenntnisse" diese Diagnose ergeben haben kann. Die Verwendung des Terminus "partielle Plazentalösung" in der Behandlungsdokumentation als "Übernahmefehler" zu erklären erscheint vor diesem Hintergrund abwegig. Das Beharren auf der Behauptung, es habe keine partielle Plazentalösung stattgefunden ist auch deshalb umso unverständlicher, weil sie, da letztlich irrelevant, nur der Verwirrung dient: Aufgrund der objektiven Befunde steht fest, dass das Kind intrauterin einen immensen Blutverlust erlitten hat. Außerdem steht fest, dass kindliches Blut in nicht unerheblicher Menge in den mütterlichen Blutkreislauf gelangt ist, es also eine Störung im Bereich der Plazenta gab (ob dies nun eine vorzeitige Plazentalösung war oder nicht, sei dahingestellt). Es steht also – retrospektiv – fest, dass der Zustand des ungeborenen Klägers in der Nacht vom 10.11.2010 auf den 11.11.2010 kritisch war und dass eine sofortige Entbindung es ermöglicht hätte, seinen Blutkreislauf früher zu regulieren. Fest steht nach den Ausführungen der Sachverständigen außerdem, dass das erste CTG pathologisch war und auch das zweite CTG auffällig war und dass man es unter keinen Umständen hätte abbrechen dürfen. Damit steht wegen der mit der Einstufung des Fehlers als grob verbundenen Beweislastumkehr fest, dass – egal welches "Problem" intrauterin bestand – eine Haftung der Beklagten für die Schädigung des Klägers besteht. Geradezu als die Fakten verdrehend erweist sich auch die Darstellung in der Klageerwiderungsschrift, es könne kein Zusammenhang zwischen einer vermeintlichen Plazentalösung und einem einen Tag später postpartal aufgetretenen Schockzustand des Klägers hergestellt werden. Der Schockzustand ist. wie sich der Behandlungsdokumentation entnehmen lässt, nicht "einen Tag später", sondern unmittelbar nach der Entbindung festgestellt worden. Der Kläger ist unmittelbar nach sein...