StVG § 7 § 11 S. 2 § 18
Leitsatz
1. Im Rahmen der Bemessung eines Schmerzensgeldes ist sowohl für die Ausgleichsfunktion als auch in besonderem Maße für die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes der Grad der Verursachung von Bedeutung, mit welchem die schädigende Handlung zu den Leiden des Verletzten beigetragen hat.
2. Wenn die Gesundheitsbeeinträchtigungen Auswirkungen einer Schadensanfälligkeit sind, kann es geboten sein, in die Billigkeitsentscheidung miteinzubeziehen, inwieweit die körperlichen Beschwerden des Verletzten einerseits durch den Unfall und andererseits durch die vorher vorhandene krankhafte Anlage verursacht wurden.
OLG Hamm, Beschl. v. 15.3.2018 – 7 U 4/18
1 Sachverhalt
Nach einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug der Bekl. auf das Fahrzeug der Kl. aufgefahren war, machte die Kl. u.a. Schadensersatz geltend. Bei unstreitiger Haftung der Bekl. streiten die Parteien über Umfang und Dauer der Unfallverletzungen der Kl. Die Kl. hatte eine auf dem Unfall beruhende Knochenquetschung, einen Haarriss am siebten Halswirbelkörper und Zerrungen der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule erlitten. Die Kl. litt zum Unfallzeitpunkt an einer Vorschädigung der Halswirbelsäule. Das LG berücksichtigte das bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in der Weise, dass es ausführte, dass die bei der Kollision auf die Kl. einwirkenden Kräfte gering gewesen seien und die nach dem Unfall autretenden Beschweden auch auf die vor dem Unfall bestehenden degenerativen Vorschädigungen zurückzuführen sei. Das LG hat der Kl. ein Schmerzensgeld von 5.000 EUR zugesprochen. Die Kl. hielt diesen Betrag für unzureichend und meinte, ein Betrag von 8.000 EUR sei angemessen. Mit ihrer Berufung verfolgt sie die Verurteilung zur Zahlung des von ihr beanspruchten Betrages. Bei der Berücksichtigung der Vorschädigungen sei zu ihren Lasten nicht beachtet worden, dass diese bis zu dem Unall keine Beschwerden verursacht hätten.
Der Senat wies in seinem Beschluss nach § 522 ZPO auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung hin.
2 Aus den Gründen:
"… Die Annahme des LG, der Kl. stehe aufgrund des Verkehrsunfallereignisses ein Schmerzensgeldanspruch gegen die Bekl. i.H.v. 3.500 EUR gem. §§ 7, 18, 11 S. 2 StVG i.V.m. 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu, von dem die bereits geleisteten 400 EUR in Abzug zu bringen seien, ist aus berufungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Schmerzensgeld besteht nicht."
a) Das BG hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. § 513 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das BG sie zwar für vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das BG darf es demnach nicht dabei belassen, zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insb. ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinander gesetzt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (BGH, Urt. v. 28.3.2006 – VI ZR 46/05, NJW 2006, 1589, 1592 unter Tz. 30).
b) Die durch das LG vorgenommene Schmerzensgeldbemessung weist keine Rechtsfehler auf und ist auch im Übrigen überzeugend.
Ausgangspunkt für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind die auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme anzunehmenden Verletzungen der Kl. – namentlich ein Haarriss am siebten Halswirbelkörper, eine Knochenquetschung, eine Zerrung der Halswirbelsäule sowie eine Zerrung der Lendenwirbelsäule –, wobei insb. auch Ausmaß, Dauer und die konkreten Folgen für das Leben der Kl. zu berücksichtigen sind.
Dies hat das LG in nicht zu beanstandender und zudem überzeugender Weise getan.
aa) Zunächst hat das LG entgegen der Ansicht der Berufung die bei der Kl. bestehenden Vorschädigungen der Halswirbelsäule in zutreffender Weise bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt.
Insoweit trifft es nicht zu, das LG habe unberücksichtigt gelassen, dass die bei der Kl. bestehende Vorschädigung der Halswirbelsäule keinerlei Beschwerden verursacht habe und die Kl. deshalb auch nie in Behandlung gewesen sei. Vielmehr hat das LG explizit in seine Erwägungen einbezogen, dass die Schilderung der Kl., bis zum Unfallzeitpunkt nicht wegen der bestehenden Osteoporose in Behandlung gewesen zu sein, durch die eingereichten Unterlagen belegt werde, sie lediglich mit Blick auf die Beweglichkeit des Halses schon vor dem Unfall eingeschränkt gewesen sei und die Schmerzen unfallbedingt aufgetreten seien (vgl. S. 10 f. des Urteils).
Gerade weil die unfallbedingten Verletzungen als “Auslöser' im Sinne einer Mitursache gewirkt haben, müssen die Bekl. für die Folgen der ausgelösten Beschwerden aufkommen (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1999 – VI ZR 374/97, NJW-RR 1999, 819).
Die Höhe des Schmerzensgeldes ist jedoch im Wege der Billigkeit festzusetzen, wobei angesichts der Ausgleichs- und Genu...