"… Die Entscheidung des LG begegnet – (…) keinen berufungsrechtlichen Bedenken. Das LG hat zu Recht festgestellt, dass die Bekl. für den streitgegenständlichen Schaden haftet. (…)"

Soweit die Bekl. weiter geltend macht, es sei unangemessen, für eine nur auf fünf Tage abgeschlossene Versicherung dem VR eine Nachhaftung von einem Monat aufzubürden und dies finanziell nicht tragbar sei, lässt sie unberücksichtigt, dass es dem VR obliegt, bei den Tarifen für die Kurzkennzeichen die Nachhaftung mit einzukalkulieren.

Nicht überzeugend ist auch die Ansicht der Bekl., für den Geschädigten bestehe aufgrund des Aufdrucks auf dem Kennzeichen kein Rechtsschein für eine bestehende Versicherung. Hierbei verkennt die Bekl., dass die Frage des Rechtschein nur jene Fälle betrifft, in denen ein Versicherungsverhältnis – beispielsweise wegen Anfechtung oder Widerruf – gerade nicht existent dar. In diesem Fall würde ein Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen und es bestünde aufgrund des Kennzeichens der Rechtsschein, dass ein Versicherungsvertrag tatsächlich besteht. Dies betrifft aber nicht die vorliegende Fallgestaltung bei Kurzkennzeichen. Bei dem streitbefangenen Fahrzeug war ein Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen; das Versicherungsverhältnis war nur einen Tag vor dem Unfall ausgelaufen. Es stellt sich somit nicht die Frage eines Rechtsscheins, sondern es geht um die vom Gesetz bestimmte Nachhaftung nach Ablauf eines wirksam geschlossenen Versicherungsvertrages.

Der Hinweis der Bekl. in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BGH vom 1.12.1960 (BGH NJW 1961, 309) verfängt nicht. In dem dieser Entscheidung zugrundliegenden Fall hatte die Versicherung dem Straßenverkehrsamt bereits mitgeteilt, dass keine Haftpflichtversicherung besteht und das amtliche Kennzeichen zu entstempeln sei, was einige Tage vor dem Unfall auch erfolgt war. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, es gelte eine starre Monatsfrist und die Vorschrift diene ausschließlich der Sicherung der Schadenersatzansprüche der durch den Haftpflichtversicherten geschädigten Dritten. Die Befristung sei ein sachgerechter Ausgleich zwischen dem Interesse des geschädigten Dritten und dem Haftpflichtversicherer. Nach der von der Bekl. vertretenen Rechtsansicht bezüglich des Rechtscheins hätte der BGH eine Nachhaftung ablehnen müssen, weil das Kennzeichen entstempelt worden war, also auch “sichtbar' war, dass keine Zulassung und damit keine Versicherung mehr bestand. Die Entscheidung des BGH vom 1.12.1960 spricht daher gerade gegen die Ansicht der Bekl. (…)

Ihre Argumentation zu §§ 117 Abs. 2 S. 5 VVG und 25 Abs. 5 FZV trägt die Bekl. in der Berufung zur Bekräftigung ihrer Rechtsansicht nicht mehr vor. Ungeachtet dessen hält der Senat die Argumentation aber auch deshalb nicht für überzeugend, weil die Zulassungsstelle nicht nur zur Entgegennahme der Anzeige bestimmt ist, sondern bei Kurzkennzeichen der Zulassungsstelle neben der Versicherungsbestätigung zugleich auch die Beendigung mitgeteilt wird.

Bezüglich des neuen Arguments der Bekl. in der Berufungsbegründung, die Nachhaftung bei Kurzkennzeichen verstoße gegen die Richtlinie 2009/103/EG aus dem Jahre 2009, kann dahingestellt bleiben, ob dieser Vortrag neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO ist und deshalb ggf. in der Berufung nicht mehr zugelassen werden kann. Der Vortrag kann jedenfalls nicht zum Erfolg der Berufung führen. Mit der Richtlinie soll eine Regelung getroffen werden bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen, die ohne amtliches Kennzeichen am Straßenverkehr teilnehmen oder mit einem amtlichen Kennzeichen, das dem Fahrzeug nicht oder nicht mehr zugeordnet ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Kennzeichen W konnte eindeutig dem VN der Bekl. zugeordnet werden. …“

zfs 12/2018, S. 691 - 692

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