BGB § 823 I § 826 § 831 I S. 2
Leitsatz
1) Bei einem Thermofenster verhält sich die Abschaltvorrichtung auf dem Prüfstand und der Straße nicht unterschiedlich. Vielmehr wird die Abgasrückführung temperaturabhängig stärker oder weniger stark aktiviert. Die Abschaltung rechtfertigt sich damit, dass Motor- und Bauteilschutz erreicht werden sollen. Damit kann nicht unterstellt werden, dass die Handelnden in dem Bewusstsein vorgehen, eine möglicherweise unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.
2) Anders als bei der "Schummelsoftware" des Motors EA 189 in den VW-Fällen unterscheidet das Thermofenster nicht zwischen Prüf- und Straßenverkehr, sondern nach der Umgebungstemperatur. Damit bezweckt die Technologie des Thermofensters nicht die "Überlistung" der Prüfungssituation.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Schleswig, Urt. v. 18.9.2019 – 12 U 123/18 (nicht rechtskräftig)
Sachverhalt
Der Kl. macht die Verurteilung der Bekl. als Herstellerin eines Diesel-Pkw Marke Mercedes geltend, in dem ein Motor des Typs OM 651 verbaut ist. Der Kl. hatte das Fahrzeug gebraucht bei einem Kilometerstand von 14.153 km zu einem Kaufpreis von 38.890 EUR bei einer Niederlassung der Bekl. gekauft. Zwischen den Parteien herschte in der ersten Instanz Streit darüber, ob der Motor des gekauften Fahrzeuges eine Steuersoftware aufwies, die erkannte, ob sich das Fahrzeug in einer Prüfsituation befinde oder im regulären Fahrbetrieb. Davon ging das LG aus und bejahte einen Schadensersatzanspruch des Kl. mit der Begründung, die Bekl. habe dem Kl. in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem der Motor des Pkw so konstruiert gewesen sei, dass er nur in der Prüfungssituation NOx-Mengen ausgestoßen hätte, die den Grenzwerten der Euro-5-Abgasnorm genügt hätten, während ansonsten der NOx-Ausstoß höher gelegen hätte. Die Berufungsentscheidung sah darin eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung und unterzog den Sachverhalt der Prüfung, ob der unstreitige Verbau des Pkw mit einem Thermofenster dazu führe, dass ein Schadensersatzanspruch des Kl. wegen einer sittenwidrigen Schädigung anzunehmen sei. Das verneinte der Senat.
2 Aus den Gründen:
"… [37] 1. Die landgerichtliche Entscheidung bejaht im Ergebnis – ohne dies so ausdrücklich zu benennen – aufgrund eines erhöhten NOx-Ausstoßes im tatsächlichen Betrieb auf der Straße das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung – wie in den Fällen des VW-Motors EA 189 –, und zwar mit der Begründung, dass der klägerische Sachvortrag hierzu nicht als bestritten angesehen werden könne. Dies ist bereits deshalb fehlerhaft, weil das LG im Falle eines seiner Ansicht nach nicht ausreichenden Bestreitens einen entsprechenden Hinweis an die Beklagtenseite hätte erteilen müssen. Ein solcher Hinweis ist unerlässlich, wenn Tatsachenvortrag unvollständig oder unklar ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage, § 139, Rn 3). Im Zweifelsfall muss das Gericht zudem aufklären, ob nicht bestritten wird (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage, § 139, Rn 10). Mangels eines solchen Hinweises bzw. der unterlassenen Aufklärung stellt sich das Urteil als unzulässige Überraschungsentscheidung dar, die rechtliches Gehör verletzt."
[38] Es kommt hinzu, dass auch die Auffassung des LG, der Vortrag der Klägerseite sei als unstreitig anzusehen, nicht zutrifft. Denn nach § 138 Abs. 3 ZPO sind nur solche nicht ausdrücklichen bestrittenen Tatsachen als zugestanden anzusehen, bei denen sich die Absicht, sie bestreiten zu wollen, nicht aus den übrigen Erklärungen der Partei ergibt. Hier ergibt sich jedoch aus den Erklärungen der Beklagtenseite klar, dass gerade nicht unstreitig ist, dass der Motor die Prüfungssituation erkennt und entsprechend mit erhöhter Abgasrückführung reagiert. Denn es wird vorgetragen, dass sich das Emissionsverhalten bei gleichen Bedingungen auf der Straße wie auf dem Prüfstand verhält. Daraus ergibt sich bei verständiger Würdigung, dass das Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung, die zwischen Prüfstand und Straßenbetrieb unterscheidet, bestritten werden soll. Damit hätte über diese Frage, wenn sie entscheidungserheblich gewesen wäre, durch ein Sachverständigengutachten Beweis erhoben werden müssen.
[39] Die landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen tragen somit die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht, da Streitiges als unstreitig behandelt wird. Zudem sind sie widersprüchlich, weil im Gegensatz zum Tatbestand in den Entscheidungsgründen nur noch darauf abgestellt wird, dass durch den Motor unter den Bedingungen im alltäglichen Gebrauch auf der Straße ein erhöhter NOx-Ausstoß zu verzeichnen sei. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, da es unterschiedliche Ursachen haben kann.
[40] 2. Da somit die landgerichtlichen Feststellungen die Annahme einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht tragen, war erneut zu prüfen, ob für den streitgegenständlichen Motor mit dem "Thermofenster" tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung bejaht we...