Montag, 8:15 Uhr, ich betrete mein Büro. Nach einem "Guten Morgen" empfängt mich eine Mitarbeiterin mit den Worten, ich möge unbedingt eine Frau … zurückrufen, es gehe um ihren Führerschein. Gesagt, getan: Ich hole mir einen Kaffee und rufe also zurück. Völlig aufgelöst berichtet mir die Dame, sie habe einen Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg erhalten und man habe ihr vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen. Es gehe um ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Sie wisse nun nicht mehr weiter, was sie tun solle. Auf Nachfrage zu Einzelheiten wird mir nur mitgeteilt, es werde in dem Beschluss auf einen Strafbefehl des Amtsgerichts Bezug genommen, dieser liege ihr nicht vor.
Ich habe mir das Aktenzeichen geben lassen und mich sofort an das Amtsgericht gewendet. Nach erfolgter Akteneinsicht zeigte sich ein Fremdschaden von etwas über 2.000 EUR netto.
Nach Rücksprache mit der Mandantin habe ich gegen die vorläufige Entziehung Beschwerde, gegen den zwischenzeitlich zugestellten Strafbefehl Einspruch eingelegt. Wie ging es nun weiter?
Auf die Beschwerde hin hat die Beschwerdekammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit Beschl. v. 7.6.2019, Az. 5 Qs 35/19, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben, dies mit der Begründung, es liege kein bedeutender Fremdschaden vor, dieser sei erst ab 2.500 EUR netto anzunehmen. Davon unbeeindruckt wurde aber sowohl vom Amtsgericht als auch von der Berufungskammer des Landgerichts (nicht identisch mit der Beschwerdekammer) die Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochen, da von einem bedeutenden Fremdschaden jedenfalls ab 1.800 EUR netto bzw., so das Landgericht, jedenfalls ab 2.000 EUR netto auszugehen sei. Die Sache befindet sich derzeit in der Revisionsinstanz.
Besieht man sich nun die Rechtsprechung verteilt über das Bundesgebiet, so muss man leider feststellen, dass es letztlich vom Unfallort abhängt, ob bzw. ab welchem Fremdschaden jemandem die Fahrerlaubnis entzogen wird, da die Wertgrenzen höchst uneinheitlich gehandhabt werden. Dieser Zustand ist alles andere als zufriedenstellend, insb., wenn sogar innerhalb eines Gerichts vollkommen konträre Ansichten vertreten werden.
Zwar haben wir in Bayern nunmehr durch das Bayerische Oberste Landesgericht die Möglichkeit, bayernweit eine einheitliche Rechtsprechung zu erhalten, indes ändert dies nichts daran, dass schon bei Verlassen der Landesgrenzen höchst unterschiedliche Beträge bezüglich eines bedeutenden Fremdschadens angenommen werden (von 1.300 EUR netto bis hin zu 2.500 EUR netto).
Ob überhaupt eine Wertgrenze bzw. die Reparaturkosten der richtige Ansatz sind, kann schon infrage gestellt werden. Dies mag das Beispiel verdeutlichen, dass die Reparaturkosten eines VW Polo bei einem identischen Anstoß nie so groß sein werden wie z.B. bei einem Ferrari.
Jedenfalls aber ist die Rechtsprechung aufgefordert, hier deutschlandweit (endlich) eine einheitliche Wertgrenze zu finden. Dem Ansatz der Beschwerdekammer des hiesigen Landgerichts, die von einem bedeutenden Schaden erst ab 2.500 EUR netto ausgeht, ist zuzustimmen, berücksichtigt doch diese Rechtsprechung gerade die nicht unerheblichen Preissteigerungen in den letzten Jahren bei Reparaturkosten. Auch die Neufassung des § 44 StGB mit einer Verlängerung der Fahrverbotsfrist auf bis zu sechs Monate stützt eine Erhöhung der Grenze für den bedeutenden Schaden auf 2.500 EUR netto. Auch hätte letztlich diese Grenze den Vorteil, dass eine Anpassung in den nächsten Jahren nicht angezeigt ist.
Man kann daher den Gerichten nur zurufen, zum einen eine einheitliche Grenze zu finden und in einem zweiten Schritt diese, wie die Beschwerdekammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth oder des Landgerichts Landshut (Beschl. v. 24.9.2012, Az. 6 Qs 242/12), auf derzeit 2.500 EUR netto festzusetzen.
Autor: Matthias Köck
RA Dr. Matthias Köck, FA für Verkehrsrecht und für Arbeitsrecht, Nürnberg
zfs 12/2019, S. 661