zfs 12/2020, Die Betriebsschließungsversicherung in der ... / c) Einzelfallprüfung und Verweis auf die §§ 6, 7 IfSG

Letztendlich kommt es hier aber immer auf die im Einzelfall formulierte Klausel an.^[24] Dies zeigt auch eine aktuelle Entscheidung des 20. Zivilsenats des OLG Hamm^[25] : Dieser hatte über eine Deckung aus einer Klausel zu entscheiden, bei der ausdrücklich nur "die im folgenden aufgeführten" Krankheiten und Krankheitserreger aufgelistet werden, jedoch hierzu in Klammern der Zusatz "vgl. §§ 6 und 7 IfSG" beigefügt war. Seitens des OLG wie auch zuvor durch das LG Essen^[26] wurde in diesem Einzelfall eine Deckung abgelehnt, da die Aufzählung der "versicherten" Krankheiten und Krankheitserreger in den vereinbarten Bedingungen aus Sicht des Senats abschließend wäre. Der Wortlaut "nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG)" und die anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern macht dem – für die Auslegung maßgeblichen – durchschnittlichen VN nach Auffassung des Senats hinreichend deutlich, dass der Versicherer nur für die benannten, vom Versicherer einschätzbaren Risiken einstehen will. Der Hinweis "vgl. §§ 6 und 7 IfSG" könne aus Sicht des Senats vor diesem Hintergrund nicht dahin verstanden werden, dass der Versicherer auch für eine spätere Erweiterung des Gesetzes Versicherungsschutz gewähren würde. Dies überzeugt auch, da dem VN durch die deutlichen Formulierungen hinreichend vor Augen geführt wird, dass es allein auf die in den AVB aufgelisteten Erreger und nicht mögliche, zum Vertragsabschluss gar nicht übersehbare Erweiterungen ankommt.^[27] Demgegenüber wird wiederum argumentiert, dass alleine die Nennung der §§ 6, 7 IfSG als Bezug ausreichen sollte, um eine dynamische Verweisung zu ermöglichen^[28] – angesichts der deutlichen Einleitung der Klausel aber eine weniger überzeugende Auslegung.

Praxistipp: Es ist in jedem Fall genau zu prüfen, wie der Verweis auf die §§ 6, 7 IfSG ausgestaltet ist – wenn ihm mehr als nur eine klarstellende Funktion zukommt, muss der Zusatz einen eigenen Anwendungsbereich haben, der über einen abschließenden Katalog hinausgeht.^[29]

In der Regel wird dies aber bei einer abgeschlossenen Aufzählung nicht der Fall sein: Denn diese zeigt, dass der Versicherer nur genau bestimmte Erkrankungen versichert haben wollte, nicht aber alle möglichen Infektionskrankheiten, die noch auftreten konnten. Wenn dagegen eine weite Verweisung dem VN zugestanden worden wäre, hätte in Ziffer 1.2 die Formulierung "die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 genannten Krankheiten und Krankheitserreger, insbesondere …" nahegelegen. Allein der Hinweis auf die §§ 6, 7 IfSG ergibt mithin keine Ausdehnung des Versicherungsschutzes auf alle im IfSG erfassten Krankheiten.^[30]

[24] Vgl. auch die Übersicht bei Fortmann, VersR 2020, 1073; kritisch Armbrüster, VersR 2020, 577.

[25] OLG Hamm, Beschl. v. 15.7.2020 – I-20 W 21/20 – juris.

[26] LG Essen, Beschl. v. 16.6.2020 – 18 O 150/20 – juris.

[27] Vgl. auch LG Leipzig, Hinweisbeschl. v. 2.7.2020 – 3 O 1287/20, erwähnt bei Günther, FD – VersR 2020, 431078.

[28] Armbrüster, r+s 2020, 507; Werber, VersR 2020, 661.

[29] Fortmann, VersR 2020, 1073; Armbrüster, VersR 2020, 577.

[30] LG Ellwangen, Urt. v. 17.9.2020 – 3 O 187-20 – juris; LG Bayreuth, Urt. v. 15.10.2020 – 22 O 207/20; LG Stuttgart, Urt. v. 2.11.2020 – 18 O 264/20; LG Oldenburg, Urt. v. 21.10.2020 – 13 O 1637/20 und LG Ravensburg, Urt. v. 12.10.2020 – 6 O 190/20.