VVG § 28; AKB 2018 E 5.2
Leitsatz
Verweigert sich der Versicherungsnehmer, dem Versicherer nach einem versicherten Unfall die Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers zu ermöglichen, ist der Versicherer leistungsfrei.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Köln, Urt. v. 26.3.2020 – 24 O 236/19
Sachverhalt
Der Kl. unterhielt für seinen Pkw bei der Bekl. eine Kfz-Vollkaskoversicherung, der die AKB 2018 zugrunde lagen.
Am 11.2.2019, 0.00 Uhr, nahm die Polizei in W einen Kfz-Unfall mit dem Kl. als einzigem Beteiligten auf, der ausweislich der Unfallmitteilung angab, er sei bei Schneeregen nach links von der Fahrbahn abgekommen, habe sein Fahrzeug nicht unter Kontrolle bekommen und habe sowohl die Leitplanke auf der linken Straßenseite als auch diejenige auf der rechten Seite touchiert.
Zum Zwecke der Unfallrekonstruktion schaltete die Bekl. den Sachverständigen B. ein, der in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangte, dass ein Ausbrechen des Fahrzeuges aus seiner Spur angesichts der vorhandenen Fahrerassistenzsysteme nicht erklärbar sei.
Im Rahmen des von dem Sachverständigen B. durchgeführten Ortstermins verweigerte der Kl. eine Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf den Zustand der elektronischen Hilfs- und Assistenzsysteme. Mit Schreiben v. 21.3.2019 bat die Bekl. den Kl. unter Übersendung eines entsprechenden Formulars um Zustimmung zu einer Auslesung des Fahrzeugdatenspeichers.
Diese lehnte der Kl. ab.
2 Aus den Gründen:
"… Die Klage ist unbegründet."
Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Entschädigungsanspruch nach A.2.3.2, A.2.7.1 AKB. (…)
Die Bekl. ist nach E.5.2 AKB i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei. Der Kl. hat seine Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.3. AKB arglistig verletzt. Danach hat der Kl. der Bekl. Untersuchungen zu den Umständen des Schadensereignisses sowie zu ihrer Leistungspflicht zu ermöglichen, soweit ihm dies zumutbar ist. Durch seine Weigerung, den Fahrzeugdatenspeicher auslesen zu lassen, hat der Kl. hiergegen verstoßen.
Die Bekl. hatte an der Auslesung ein auf der Hand liegendes berechtigtes Interesse, weil diese Aufschluss über etwa aufgetretene technische Fehler geben konnte, die der Bekl. im Rahmen ihrer Regulierungsprüfung eine Einschätzung erlaubte, ob es sich um ein manipuliertes Schadensereignis handelt oder nicht.
Es sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass dem Kl. die Gestattung der Speicherauslesung unzumutbar gewesen wäre. Soweit er darauf abstellt, dass die Bekl. aus der Auslesung Rückschlüsse auf sein Fahrverhalten ziehen könnte, macht er deutlich, dass ihm klar war, um was es geht, und dass er eben dies durch seine Weigerung verhindern und der Bekl. eine wichtige Erkenntnisquelle für ihre Regulierungsprüfung verschließen wollte.
Dieses Verhalten des Kl. war arglistig, weil er erkennbar auf die Regulierungsentscheidung der Bekl. Einfluss nehmen wollte, zumindest in der Form, die Prüfung aufgrund verringerter Tatsachenbasis für sich unkomplizierter und zügiger zu gestalten.
Dafür, dass die Bekl. die Auslesung begehrt hat, um für die Regulierung irrelevante Informationen zu erlangen, ist nichts ersichtlich.
Selbst wenn man von einer nur vorsätzlichen Aufklärungsobliegenheitsverletzung des Kl. ausgehen würde, bliebe es bei der Leistungsfreiheit der Bekl. Das Fahrzeug ist nach Polen verkauft und der Kl. geht selbst davon aus, dass das Fahrzeug für eine Untersuchung nicht zur Verfügung steht. Folglich kann er auch den Kausalitätsgegenbeweis nicht führen. …“
zfs 12/2020, S. 699