[6] "II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat in der Sache Erfolg."
[7] 1. Das Beschwerdegericht (OLG München, Rpfleger 2021, 251) hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte zwar nicht gehalten gewesen sei, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils erneut einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und diesen neu zu instruieren. Damit liege ein Ausnahmefall im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO vor mit der Folge, dass kostenrechtlich die Hinzuziehung eines weder am Gerichts- noch am Geschäftssitz ansässigen Anwalts akzeptiert werde. Soweit nach diesen Grundsätzen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts am dritten Ort als notwendig und damit verbundene Mehrkosten als grundsätzlich erstattungsfähig anzusehen seien, stelle sich jedoch die Frage, ob die hierdurch ausgelösten Mehrkosten automatisch in voller Höhe erstattungsfähig seien. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts gehe dies zu weit. Wenn am Geschäftssitz der Partei – wie hier – ebenfalls Rechtsanwälte vorhanden seien, die in der Lage wären, die Funktion “als Hausanwalt' zu übernehmen, seien lediglich die Reisekosten eines (fiktiven) Anwalts erstattungsfähig, dessen – wiederum fiktiver – Kanzleisitz an dem vom Gerichtsgebäude am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes liege.
[8] 2. Diese Beurteilung hält in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts können, wenn die Hinzuziehung eines weder am Gerichts- noch am (Wohn-)Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts (“Rechtsanwalt am dritten Ort') notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO war, die erstattungsfähigen Reisekosten nicht auf die Kosten beschränkt werden, die einem im vom Gericht am weitest entfernten Ort im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalt entstanden wären. Eine solche Begrenzung der für den auswärtigen Rechtsanwalt zu erstattenden Reisekosten über die sich aus § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO ergebenden Einschränkungen hinaus sieht die ZPO nicht vor.
[9] a) Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war.
[10] aa) Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die kostenauslösende Maßnahme aus der Sicht ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13.9.2005 – X ZB 30/04, AnwBl. 2005,792 = RVGreport 2005, 476 (Hansens); vom 12.12.2012 – IV ZB 18/12, Rn 10 RVGreport 2013, 67 (Ders.) = JurBüro 2013, 201; vom 27.2.2018 – II ZB 23/16, Rn 10, AnwBl. 2018,620 = JurBüro 2018, 255). Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. BGH, Beschl. v. 27.2.2018 – II ZB 23/16, a.a.O.). Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12.12.2012 – IV ZB 18/12, a.a.O.; vom 27.2.2018 – II ZB 23/16, a.a.O.). Unter diesen Voraussetzungen kann unter Umständen auch die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts als notwendig anzuerkennen sein.
[11] (1) Allerdings ist die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts regelmäßig nicht notwendig, wenn die Partei ihren (Wohn-)Sitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat und nicht einen dort tätigen, sondern einen außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2011 – XI ZB 13/11, Rn 7, AGS 2012,434 = RVGreport 2012, 191 (Hansens); Senatsbeschluss vom 4.12.2018 – VIII ZB 37/18, Rn 11, AGS 2019, 42 = RVGreport 2019, 106 (Ders.)). In diesen Fällen kann die Partei Reisekosten nur insoweit beanspruchen, als sie entstanden wären, wenn sie einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks mandatiert hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 4.12.2018 – VIII ZB 37/18, a.a.O. Rn 14).
[12] (2) Dies schließt jedoch auf den Einzelfall bezogene Erwägungen zur sachlichen Rechtfertigung der Beauftragung eines nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts nicht aus, etwa, wenn sich diese aus der Komplexität der jeweiligen Rechtsstreitigkeit ergibt oder weil mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen sind und die Partei aus diesem Grund die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen kann (BGH, Beschl. v. 27.2.2018 – II ZB 23/16, Rn 11, AnwBl. 2018,620 = JurBüro 2018, 255). Auch die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts ist ausnahmsweise notw...