AKB A 2.6.1 2.6.2 a 2.10.1
Leitsatz
Wird ein kaskoversichertes Fahrzeug, welches bei einem Unfall beschädigt oder zerstört wurde, nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert oder kann der VN nicht durch eine Rechnung die vollständige Reparatur nachweisen, so ist, wenn sich der VN entschließt, das beschädigte oder zerstörte Fahrzeug nicht zu veräußern, bei der fiktiven Bestimmung des Restwertes des Fahrzeugs lediglich der regionale Markt für den Aufkauf solcher Fahrzeuge am Sitz des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen.
BGH, Urt. v. 14.4.2021 – IV ZR 105/20
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Höhe der Versicherungsleistung aus einer von der Kl. bei der Beklagten gehaltenen Kfz-Kaskoversicherung. Die Kl. ist Eigentümerin des mit einer Selbstbeteiligung von 300 EUR versicherten Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall am 22.11.2017 beschädigt wurde. Die Bekl., deren Eintrittspflicht dem Grunde nach unstreitig ist, holte ein Schadengutachten ein, in welchem der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs mit 10.500 EUR, sein Restwert auf der Basis eines überregionalen Marktes mit 5.799 EUR und die Reparaturkosten unter Zugrundelegung der Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt mit 9.137,53 EUR netto bzw. 10.873,66 EUR brutto ausgewiesen wurden.
Die Kl. ließ ihr Fahrzeug in Eigenregie instandsetzen, eine Rechnung darüber existiert nicht. Die Bekl. rechnete den Schaden als Totalschaden ab und zahlte an die Kl. 4.401 EUR (10.500 EUR Wiederbeschaffungswert – 5.799 EUR Restwert – 300 EUR Selbstbeteiligung).
Mit ihrer Klage verlangt die Kl. Zahlung weiterer 2.377,71 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Sie ist der Auffassung, die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung auf der Basis eines Totalschadens sei nicht gerechtfertigt. Die Bekl. habe sowohl den Restwert ihres Fahrzeugs, der in Wahrheit nur 3.400 EUR betragen habe, als auch die Reparaturkosten zu hoch veranschlagt. Das ca. zehn Jahre alte versicherte Fahrzeug sei nicht scheckheftgepflegt gewesen, deshalb seien hier auch nur die Reparaturkosten einer nicht markengebundenen Werkstatt mit einem Stundenverrechnungssatz von 98 EUR netto in Ansatz zu bringen, woraus sich ausweislich eines von ihr eingeholten Kostenvoranschlages Reparaturkosten von lediglich 7.078,71 EUR netto ergäben. Der von der Beklagten ermittelte Restwert sei ebenfalls zu hoch angesetzt, da das von der Beklagten eingeholte Gutachten dabei auch den überregionalen Markt berücksichtigt und der Sachverständige nicht mindestens drei Angebote eingeholt habe.
2 Aus den Gründen:
[11] 1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage nicht an deren Unzulässigkeit scheitern lassen, denn selbst wenn die Kl. nach A.2.10.1 AKB gehalten gewesen wäre, das dort geregelte Sachverständigenverfahren einzuleiten, hätte die Nichtbeachtung dieser Regelung nicht die Unzulässigkeit der Klage zur Folge, sondern könnte lediglich dazu führen, dass der mit der Klage verfolgte Anspruch noch nicht fällig wäre (vgl. dazu OLG Köln r+s 2002, 188; OLG Saarbrücken, VersR 1996, 882; …).
[12] Im Übrigen ist die hier zwischen den Parteien streitige Frage, ob für die Ermittlung des Restwertes eines beschädigten oder zerstörten Fahrzeugs lediglich der regionale Markt am Sitz des Versicherungsnehmers oder auch der überregionale Markt, insbesondere der Onlinehandel, in den Blick zu nehmen ist, eine Rechtsfrage, die von einem Kfz-Sachverständigen nicht kraft dessen besonderer Sachkunde zu beantworten ist, sondern deren Behandlung ihm vom Auftraggeber als rechtlicher Rahmen der Begutachtung vorzugeben ist. Insoweit war das Sachverständigenverfahren nach A.2.10 AKB im Streitfall von vorn herein nicht geeignet, den Streit der Parteien über die Schadenhöhe beizulegen.
[13] 2. Dem BG sind bei der Bestimmung des Restwertes des versicherten Fahrzeugs Rechtsfehler unterlaufen.
[14] a) Zutreffend hat es allerdings angenommen, dass, nachdem die Kl. die Reparatur ihres Fahrzeugs nicht durch eine Rechnung belegen kann, die Versicherungsleistung nach A.2.6.2 Buchst. a, zweiter Spiegelstrich AKB unabhängig davon, ob ein bedingungsgemäßer Totalschaden vorliegt, auf die Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs begrenzt ist. Es kommt mithin weder darauf an, ob die tatsächlichen Reparaturkosten den danach zu ermittelnden Deckelungsbetrag übersteigen, noch darauf, ob das versicherte Fahrzeug einen Totalschaden im Sinne von A.2.6.1. Buchst. e AKB erlitten hat.
[15] b) Über die Höhe des von der Beklagten angenommenen Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs von 10.500 EUR streiten die Parteien nicht. Für die Berechnung der der Kl. zustehenden Versicherungsleistung im Streitfall ist somit entscheidend, wie der Restwert zu bestimmen ist. Erst wenn er feststeht, kann geprüft werden, in welcher Höhe der Kl. Reparaturkosten erstattet werden können.
[16] aa) Die in A.2.6.2 Buchst. a, zweiter Spiegelstrich AKB getroffene Regelung über die Begrenzung des Leistungsanspruchs zielt im Grundsatz darauf ab, ...