VVG § 115; PflVG § 1; FZV § 14; AKB 2015 A 1.1. G.8 H.2
Leitsatz
1. Nach dem Sinn und Zweck der Kfz-Versicherung sind nur unmittelbar vom Fahrzeug ausgehende Gefahren abgedeckt. Eine solche Gefahr stellt aber die Explosion der Batterie des versicherten Fahrzeugs beim Startvorgang dar, auch wenn dieser mit einer Starthilfe durch ein anderes Fahrzeug unterstützt wird.
2. Weder die kurzzeitige Außerbetriebssetzung noch die Veräußerung des Fahrzeugs lassen eine Ruhensversicherung als Bestandteil der Kfz-Haftpflicht entfallen.
OLG Dresden, Beschl. v. 19.7.2021 – 4 W 475/21
Sachverhalt
Der AS nimmt die AG als Haftpflichtversicher des Herrn S für ein Schadensereignis vom 25.1.2019 in Anspruch. Er behauptet, zusammen mit seinem Bekannten H den vom VN zum Verkauf angebotenen Lkw auf dem Grundstück besichtigt zu haben. Da sich das Fahrzeug nicht habe starten lassen, sei es über ein Starthilfekabel mit einem anderen Lkw verbunden worden. Beim Versuch, nunmehr das Fahrzeug anzulassen, sei die Batterie explodiert und habe ihn schwer im Gesicht verletzt. Er macht Verdienstausfall, Fahrtkosten und die Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren geltend und nimmt die Antragsgegnerin zusätzlich auf Feststellung des Ersatzes von Zukunftsschäden in Anspruch.
2 Aus den Gründen:
Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens sind die Erfolgsaussichten anhand des vorgetragenen Sachverhaltes und der angebotenen Beweise lediglich im Wege einer summarischen Prüfung zu beurteilen, die sich sowohl auf die rechtliche als auch auf die tatsächliche Seite, d.h. die Frage der Beweisbarkeit, erstreckt. Dabei ist – was die tatsächliche Ebene betrifft – auch eine Beweisantizipation nicht generell unzulässig, so dass Prozesskostenhilfe verweigert werden kann, wenn rechtlich erheblicher Vortrag erkennbar nicht zu beweisen ist (BGH VersR 1988, 174 …). Dies setzt jedoch voraus, dass die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt (Senat …). Auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers kommt vorliegend ein Anspruch nach §§ 823 Abs. 1 BGB, 7 StVG, 115 VVG, A.1.1, H.1 AKB wegen der Explosion der Batterie des im Eigentum des Herrn S stehenden Fahrzeugs am 25.1.2019 in Betracht.
a) Die Bekl. ist für einen solchen Anspruch passivlegitimiert. Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auch direkt gegen die Haftpflichtversicherung geltend machen, wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Bei der Kfz-Haftpflichtversicherung setzt dies gem. A.1.1 AKB 2015 voraus, dass der streitgegenständliche Schaden beim Gebrauch des bei der Antragsgegnerin versicherten Fahrzeuges i.S.v. § 1 PflVG entstanden ist. Zwar geht der Begriff des Gebrauches des Fahrzeuges über den Betriebsbegriff des § 7 StVG hinaus und umfasst jeden Vorgang und jede Handlung, die mit dem Verwendungszweck des Fahrzeugs oder seiner Einrichtungen zeitlich oder örtlich in unmittelbarem Zusammenhang steht (BGHZ 45, 168). Bestimmend ist das Interesse des VN, durch den Einsatz des Kfz nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden (BGH VersR 1995, 90). Entscheidend ist danach, ob der Schadensfall mit dem für ein Kfz typischen Gefahrenbereich in einem haftpflichtrechtlich relevanten Zusammenhang steht (Terno, r+s 2011, 364; Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 Abs. A_l_l A.1.1 Rn 8). Mit dieser Regelung wird auf das besondere Kraftfahrzeugrisiko abgestellt. Unter Gebrauch des Fahrzeugs fallen danach alle mit der Benutzung typischerweise verbundenen Gefahren, die vom Fahrzeug unmittelbar und selbst ausgehen. Es ist ein adäquater Zurechnungszusammenhang erforderlich (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1987, 1246).
Demgegenüber ist es grundsätzlich nicht Zweck der Kfz-Haftpflichtversicherung andere Haftungsrisiken als die unmittelbar vom versicherten Fahrzeug ausgehende Gefahr abzudecken. Kein Gebrauch des Fahrzeugs liegt daher dann vor, wenn das versicherte Fahrzeug lediglich zur Starthilfe für ein anderes Fahrzeug verwendet wird und an diesem ein Schaden entsteht (AG Fürstenfeldbruck, r+s 2012, 237). Hiermit ist der vorliegende Sachverhalt indes nicht vergleichbar. Zwar ist auch nach der Behauptung des Kl. ein Starthilfekabel eingesetzt worden, allerdings sollte die Starthilfe hier zur Inbetriebnahme des versicherten Fahrzeugs dienen. Das versicherte Fahrzeug wurde hier gerade nicht lediglich als Energiequelle genutzt, der Schaden ereignete sich vielmehr nach dem der Prüfung zugrunde zu legenden Antragstellervortrag beim Startvorgang im Rahmen einer Funktionsprüfung und vor der anschließenden Probefahrt. Der vom Antragsteller erlittene Schaden selbst ist dabei durch Explosion der Batterie des versicherten Fahrzeugs im Rahmen dieses Startvorgangs eingetreten. Damit hat sich zugleich eine vom Fahrzeug, nämlich der offensichtlich defekten und explosionsgefährdeten Batterie, ausgehende Gefahr realisiert, die es rechtferti...