1. Der Klageantrag zu Ziffer II., dem das LG unter Ziffer 2. der Urteilsformel stattgegeben hat, ist zulässig gemäß § 258 ZPO. Diese Sichtweise ist schon deshalb geboten, weil es dem Kl. unter den Gesichtspunkten von effektivem Rechtsschutz und Prozessökonomie bei einem bereits begonnenen Versicherungsfall ermöglicht werden muss, seine Rechte frühzeitig zu wahren, ohne auf die – insoweit nachrangige – Feststellungsklage oder wiederholte Leistungsklagen angewiesen zu sein.
Der Klageantrag hat noch nicht fällige wiederkehrende vertragliche Geldzahlungsansprüche zum Gegenstand. Das Pflegetagegeld ist nicht von einer Gegenleistung abhängig, da mit Eintritt des Versicherungsfalls eine Beitragsfreistellung einsetzt. Die Grundlage der Leistungspflicht der Beklagten kann darüber hinaus nach Grund und Höhe mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden (…). Denn bei dem 81-jährigen, unter Betreuung stehenden Kl. ist die Pflegebedürftigkeit aufgrund schwerer Erkrankung ärztlich festgestellt worden, derzeit nach Pflegegrad 4 (nach § 61b Abs. 1 SGB XII bedeutet dies schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten). Er befindet sich seit mehr als zwei Jahren ununterbrochen in einer Einrichtung zur vollstationären Pflege. Dass diese Voraussetzungen des Versicherungsfalls zu Lebzeiten des Kl. wegfallen könnten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. In diesen Umständen liegt ein wesentlicher Unterschied zu Ansprüchen aus einer Krankentagegeld- oder Restschuldversicherung, bei der eine Klage auf zukünftige Leistung weithin für unzulässig gehalten wird, weil sich der Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit nur schwer verlässlich prognostizieren lasse (vgl. OLG Koblenz, VersR 2009, 104, 105 und VersR 2012, 1516: OLG Stuttgart, VersR 2008, 1343: OLG Saarbrücken, VersR 2014, 232 f.; …). Demgegenüber stellt die Pflegebedürftigkeit einer krankheitsbedingt schwerst beeinträchtigten Person in der Regel keinen lediglich vorübergehenden Zustand dar.
Im Übrigen ist es im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage nach § 258 ZPO nicht erforderlich, dass die Leistung unter allen Umständen mit Sicherheit geschuldet wird. Die Abhängigkeit der Leistung von vollstationärer Pflege, vom jeweiligen Pflegegrad und vom Erleben des Kl. sind dementsprechend als Bedingung in den Klageantrag und in die Urteilsformel aufgenommen worden. Damit ist etwaigen Aspekten des Schuldnerschutzes genüge getan.
2. Bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich unstreitig um eine die gesetzliche Pflegeversicherung ergänzende private Zusatzversicherung, die der Absicherung gegen Leistungslücken und Restrisiken dient. Der Vertrag unterfällt daher nicht der Versicherungspflicht nach § 23 Abs. 1 SGB XI und konnte grundsätzlich durch den VN ordentlich gekündigt werden (§ 205 Abs. 1 Satz 1 VVG).
a) Zutreffend hat das LG jedoch festgestellt, dass die namens des Kl. durch die Betreuerin am 8.7.2019 erklärte Kündigung unwirksam war. Zwar bestand im Außenverhältnis zur Beklagten eine die Kündigungserklärung umfassende Vertretungsmacht (§§ 164 Abs. 1 Satz 1, 1902 BGB). Allerdings bedurfte die Kündigung darüber hinaus der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§§ 1812 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine solche Genehmigung i.S.v. § 184 Abs. 1 BGB ist unzweifelhaft nicht erteilt worden.
Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag begründet für den Kl. ein Recht, kraft dessen er eine Leistung verlangen kann (§ 1 Satz 1 VVG). Bei einer Kündigungserklärung handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft (…). Sie kann daher eine Verfügung darstellen, durch die unmittelbar auf ein Recht eingewirkt wird (vgl. hierzu BGH, NJW 2010, 1456). Demgemäß unterfällt die Aufhebung eines gesamten Vertragsverhältnisses durch Kündigung dem Anwendungsbereich der §§ 1812 Abs. 1 Satz 1, 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Betreute dadurch Leistungsrechte verliert, die der andere Vertragsteil noch nicht erfüllt hat (vgl. OLG Hamm, OLGZ 1991, 131, 132: BeckOGK/Fröschle, BGB, § 1812 Rn 48 [Stand: 1.7.2021] …).
Dies gilt auch für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, die im Zeitpunkt der Kündigungserklärung noch nicht fällig sind (vgl. MüKoBGB/Kroll-Ludwigs, 8. Aufl., § 1812 Rn 20). Durch die hier gegenständliche Beendigung eines Versicherungsvertrages würde der Betreute den Versicherungsschutz und damit die bei einem Versicherungsfall eintretenden Ansprüche verlieren (vgl. Senat, NJW-RR 2016, 1047). Erst recht ist diese Sichtweise geboten, wenn der Versicherungsfall – hier die ärztliche Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Kl. nach Pflegegrad 4 – bereits eingetreten ist und zu laufenden Leistungsansprüchen gegen den VR führt. Solche nach Wirksamwerden der Kündigung dem Kl. zustehenden Ansprüche waren zwar noch nicht fällig, jedoch aufg rund des anhaltenden Zustandes des Kl. bereits angelegt.
b) Zu Unrecht reklamiert die Berufung den Normzweck des § 1812 Abs. 1 BGB für ihre Rechtsansicht. Dieser Zweck besteht im Schutz des Vermögens des Betreuten, insbesondere ...