Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer Pflegetagegeldversicherung bei unter Betreuung stehendem Versicherungsnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zulässigkeit einer Klage auf künftige Entrichtung von Pflegetagegeldleistungen (Abgrenzung von LG Freiburg, BeckRS 2016, 134887).
2. Eine vom Betreuer des Versicherungsnehmers erklärte Kündigung einer Pflegetagegeldversicherung bedarf für ihre Wirksamkeit der Genehmigung durch das Betreuungsgericht (Fortführung von OLG Nürnberg, NJW-RR 2016, 1047).
Normenkette
BGB § 1812 Abs. 1 S. 1, § 1908i Abs. 1 S. 1; VVG § 192 Abs. 6; ZPO § 258
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 30.03.2021; Aktenzeichen 8 O 6345/20) |
Nachgehend
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 30.03.2021, Az. 8 O 6345/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Parteien streiten über den Fortbestand einer Pflegetagegeldversicherung sowie über hieraus sich ergebende Ansprüche des Klägers.
Der Vertrag sieht im Tarif "Pflege PREMIUM" die Zahlung von 33 EUR pro Tag zu 90% für den Pflegegrad 4 vor. Nachdem bei dem Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen des Pflegegrades 4 seit dem 01.03.2019 festgestellt worden ist und er sich seit dem 23.04.2019 vollstationär in einer Pflegeeinrichtung befindet, erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht mit Schreiben vom 25.09.2019 an (Anlage K 6) und erbrachte bedingungsgemäße Leistungen bis einschließlich Dezember 2019.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers, die auch dessen Betreuerin ist (Anlage K 3), erklärte mit Schreiben vom 08.07.2019 gegenüber der Beklagten die ordentliche Kündigung des Versicherungsvertrages (Anlage K 4). Eine Genehmigung des Betreuungsgerichts lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor und wurde auch später nicht erteilt (Anlage K 8). Der Bitte der Betreuerin, die Kündigung rückgängig zu machen (Anlage B 1), kam die Beklagte nicht nach und berief sich auf eine Vertragsbeendigung zum 31.12.2019 (Anlage B 3).
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 7.525,53 EUR sowie auf weitere Zahlung des bedingungsgemäßen Krankentagegeldes ab 01.10.2020 gerichteten Klage vollständig stattgegeben. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Versicherungsvertragsverhältnis der Parteien nicht beendet worden sei. Die durch die Betreuerin erklärte Kündigung sei gemäß §§ 1908i Abs. 1, 1812 Abs. 1 und 3, 1831 BGB unwirksam, denn ihr habe die erforderliche Zustimmung des Betreuungsgerichts gefehlt. Die Zustimmung sei nicht entbehrlich gewesen und es komme auch nicht darauf an, ob der Betreuerin die Höhe der Versicherungsleistung bekannt gewesen sein müsse.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
II. Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus § 192 Abs. 6 Satz 1 VVG bejaht und der Klage demzufolge stattgegeben. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.
1. Der Klageantrag zu Ziffer II., dem das Landgericht unter Ziffer 2. der Urteilsformel stattgegeben hat, ist zulässig gemäß § 258 ZPO. Diese Sichtweise ist schon deshalb geboten, weil es dem Kläger unter den Gesichtspunkten von effektivem Rechtsschutz und Prozessökonomie bei einem bereits begonnenen Versicherungsfall ermöglicht werden muss, seine Rechte frühzeitig zu wahren, ohne auf die - insoweit nachrangige - Feststellungsklage oder wiederholte Leistungsklagen angewiesen zu sein.
Der Klageantrag hat noch nicht fällige wiederkehrende vertragliche Geldzahlungsansprüche zum Gegenstand. Das Pflegetagegeld ist nicht von einer Gegenleistung abhängig, da mit Eintritt des Versicherungsfalls eine Beitragsfreistellung einsetzt (Anlage K 6). Die Grundlage der Leistungspflicht der Beklagten kann darüber hinaus nach Grund und Höhe mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2006 - V ZR 71/06 Rn. 9 m.w.N.). Denn bei dem 81-jährigen, unter Betreuung stehenden Kläger ist die Pflegebedürftigkeit aufgr...