StVO § 3; StPO § 257
Leitsatz
Nach dem Urteil des Saarl VerfGH vom 5.7.2019 (Az.: Lv 7/17) fehlt es an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren, wie bei dem Messverfahren Riegl FG 21-P weder Messfoto noch Rohmessdaten vorhanden sind, die eine (technische) Überprüfung des Messergebnisses ermöglichen würden.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 2.11.2021 – SsBs 100/2021 (68/21 OWi)
Sachverhalt
Dem Verfahren liegt eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät des Typs Riegl FG 21-P zugrunde. Die GenStA hat u.a. festgestellt, dass weder Beweisfotos gefertigt noch den Messungen zugrundeliegende Daten im Gerät gespeichert werden. Der Verteidiger hat im Wege einer Verfahrensrüge eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht, da eine Überprüfung der Messung unmöglich sei. Die GenStA führt weiter aus, dass es nach dem Urteil des Saarl VerfGH vom 5.7.2019 (Az.: Lv 7/17) bereits dann an einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren fehle, wenn sich eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes nur auf das dokumentierte Messergebnis und das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeuges und seines Fahrers stützen könne und keine nachträgliche Plausibilisierung des Messergebnisses möglich sei. Ausgehend von dieser Annahme müsse dies erst recht für Messverfahren gelten, bei denen weder Messfoto noch Rohmessdaten vorhanden seien, die eine (technische) Überprüfung des Messergebnisses ermöglichen würden. Da zu erwarten sei, dass das angefochtene Urteil einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung durch den Saarl VerfGH nicht standhalten würde, hat die GenStA beantragt, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen. Das OLG Saarbrücken ist dem nachgekommen und hat auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse auferlegt.
2 Aus den Gründen:
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Im Hinblick auf die fragliche Verwertbarkeit des Messergebnisses bestand kein Anlass, von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse abzusehen (§ 467 Abs. 4 StPO i.V.m, § 46 Abs. 1 OWiG).
Mitgeteilt vom RA Alexander Gratz, Bous
3 Anmerkung:
Kommt da ein neuer Paukenschlag aus dem Saarland? Das OLG Saarbrücken hat, ohne über den Satz zur Auslagenerstattung hinaus nur ein Wort zur Begründung in der Sache zu verlieren, ein Verfahren mit einer Riegl-Messung nach § 47 OWiG eingestellt und dazu noch die Erstattung der notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt. Ein unverhoffter voller Erfolg für die Verteidigung und mit Sicherheit der Beginn einer neuen "Saarland-Welle", die die Tatgerichte in den anderen Bundesländern erreichen wird. Eine Begründung liefert immerhin die GenStA in ihrer Stellungnahme: Diese zieht aus der Rechtsprechung des Saarländischen VerfGH vom 5.7.2019 (NZV 2019, 414 m. Anm. Krenberger) den Schluss, dass keine Verwertbarkeit der Messung gegeben sei, wenn – wie hier – gar keine Daten gespeichert werden würden und ein Urteil einer (landes-)verfassungsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde.
Sowohl die Begründung der GenStA als auch die Entscheidung des OLG (die im Übrigen an sich verfahrensrechtlich zulässig ist, KK-OWiG/Mitsch OWiG § 47 Rn 24) sind bundeslandspezifisch zu sehen. Trotz des beherzten Widerstands des einzigen für saarländische Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Bußgeldgerichts in St. Ingbert wurden 2019 schon Messungen mit dem Gerät Traffistar S350 de facto zunichte gemacht. Und mittels der damals herangezogenen Argumente könnte nun im Saarland praktisch jedes Messgerät aus dem Verkehr gezogen werden. Andererseits entzieht sich ein OLG mit einer Verfahrenseinstellung nach § 47 OWiG seiner Verantwortung: Auch bei Anwendung des Opportunitätsprinzips müssen echte Sachgründe, keine bloß hypothetischen Vermutungen, vorliegen und diese sollten auch benannt werden, um eine Verfahrensbeendigung auf diese Weise zu rechtfertigen, allein schon, um eine mögliche fehlerhafte Bindungswirkung zu vermeiden (vgl. dazu BGHSt 18, 225, 226). Dies ist hier nicht geschehen, und das ist höchst bedenklich. Die Amtsgerichte werden wieder mit Standardschreiben überflutet werden, obwohl nur eine bundeslandspezifische Ansicht vertreten wird. Rechtssicherheit schafft die Entscheidung daher nicht.
Auch wenn eine Entscheidung des BVerfG zur Frage der Speicherpflicht bald kommen dürfte: Es ist mir ein Rätsel, weshalb man (1) in Kenntnis der einheitlich ablehnenden Rechtsprechung aller anderen Oberlandesgerichte, (2) trotz eines anderen Messgeräts als es vom Saarl VerfGH entschieden wurde und vor allem (3) – obwohl von keinem einzigen Gericht die Grundlagen des standardisierten Messverfahrens angezweifelt wurden – durch eine solche Entscheidung der Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens durch die Hintertür die Legitimation entzieht und dann nicht einmal den Mut hat, eine Senatsentscheidung herbeizuführen und eine Divergenzvorlage zu ermöglichen. Der BGH hat seine maßgebliche Rechtsprechung anhand einer LTI-Messung begründet. Dieses Messgerät hat – wie Riegl FG 21-P auc...