[…]
II. Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag führt in der Sache mit der ordnungsgemäß erhobenen Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 As. 1 Ziff. 2 OWiG) zum Erfolg.
1. a) Ihr liegt das folgende Verfahrensgeschehen zu Grunde: [… s.o. …]
b) Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde genügen den Darlegungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO.
Soweit mit dem Antrag lediglich ein "Verdacht" geäußert und also – ersichtlich mangels entsprechender Kenntnis – nicht eine Beweistatsache konkret behauptet wird, vermag dies nichts daran zu ändern, dass es sich um einen echten Antrag (und nicht nur um eine unverbindliche Anregung) handelt, mit dem der Antragsteller einen Anspruch auf antragsgemäße Sachverhaltsaufklärung geltend macht und diese in eine bestimmte Richtung zu lenken beabsichtigt (MüKo-StPO/Trüg/Habetha, § 244 Rn 171). Maßstab für die Behandlung des Antrags ist die Amtsaufklärungspflicht.
Die Rechtsbeschwerdebegründung verhält sich auch zum Stand der Beweisaufnahme im Übrigen sowie zu einem für den Betroffenen günstigen Ergebnis des Beweisbegehrens (zu den Darlegungsanforderungen vgl. OLG Köln NStZ 2021, 125). Da – wie zu zeigen sein wird – der Betroffene konkrete Einwendungen gegen das Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens erhoben hat, musste sich das Tatgericht zu der begehrten Beweiserhebung auch gedrängt sehen (dazu vgl. OLG Köln, Beschl. v. 18.12.2013 – III-1 RBs 304/13; Beschl. v. 18.7.2017 – III-1 RBs 202/17; OLG Hamm VM 2007, 51 [Nr. 56]; OLG Celle zfs 2009, 593).
2. Angesichts dieses Verfahrensgeschehens ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da das angefochtene Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG).
Allerdings bietet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen Eine lediglich prozessordnungswidrige Behandlung von Beweisanträgen stellt daher noch keine Verweigerung rechtlichen Gehörs dar. Nur die willkürliche Ablehnung eines Beweisantrags, also die Ablehnung eines Beweisantrags ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt das rechtliche Gehör. Gleiches gilt für eine Verletzung der Aufklärungspflicht (OLG Köln, Beschl. v. 15.4.2014 – III-1 RBs 89/14; Beschl. v. 22.5.2014 – III-1 RBs 126/14; Beschl. v. 24.9.2014 – III-1 RBs 257/14; Beschl. v. 20.1.2015 – III-1 RVs 237/14; Beschl. v. 19.6.2015 – III-1 RBs 168/15; Beschl. v. 2.4.2022 – III-1 RBs 89/22).
Hieran gemessen ist im Streitfall eine Gehörsverletzung gegeben:
Erfolgt die Geschwindigkeitsmessung – wie (grundsätzlich, OLG Köln, Beschl. v. 16.12.2022 – III-1 RBs 371/22) hier – im standardisierten Messverfahren, so sind Zweifel am Messergebnis nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine fehlerhafte Messung angebracht; abstrakt-theoretische Möglichkeiten eines Messfehlers genügen hingegen nicht (BGH NJW 1998, 321 [322]; OLG Zweibrücken NZV 2001, 48; OLG Düsseldorf VRS 99, 297; OLG Hamm zfs 2004, 135 [136]; OLG Celle zfs 2009, 593; OLG Bamberg, NStZ-RR 2016, 29).
Die Verteidigungsmöglichkeit eines Betroffenen, der den Vorwurf einer im standardisierten Messverfahren festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung nicht gelten lassen will, reduziert sich danach letztlich auf die (ausgeführte) Behauptung, nicht so schnell wie gemessen gefahren zu sein (OLG Köln, Beschl. v. 19.6.2015 – III-1 RBs 168/15).
Hier zielte die begehrte Beweiserhebung unter eingehender Darlegung auf die Feststellung einer Fehlmessung dergestalt, dass nicht das von dem Betroffenen gefahrene Fahrzeug, sondern ein anderes Fahrzeug gemessen worden war. Diese Behauptung erscheint auch nicht von vornherein abwegig (vgl. dazu, dass es wegen der Schwankungsbreite der Abstandsmessung bei ES8.0 zu Zuordnungsproblemen hinsichtlich des Messwertes kommen kann Grün in: Burhoff/Grün, Messungen im Straßenverkehr, 6. Auflage 2023 § 1 Rn 1173 f.).
Bei dieser Sachlage durfte das Tatgericht den Beweisantrag nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen. Es ist zirkulär, den gegen das Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens vorgebrachten Einwand gerade unter Hinweis auf die Standardisierung abzutun (petitio principii, ähnlich die Sachgestaltung bei OLG Oldenburg zfs 2012, 108). Diese Zirkelschlüssigkeit stellt sich auch als willkürlich dar: Die Ablehnungsbegründung entbehrt ihretwegen jeglichen sachlichen Gehalts; sie schneidet dem Betroffenen gleichwohl diese Verteidigungsmöglichkeit ab. Es stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn dem Betroffenen ein für ihn günstiger, möglicher Verfahrensausgang durch Nichtberücksichtigung seines unter Beweis gestellten Sachvortrags nur deshalb vorenthalten wird, weil sich der Tatrichter bei der Gesetzesanwendung deutlich versehen hat (OLG Köln, Beschl. v. 17.4.2012 – III-1 RBs 97/12; s....