A. Einführung
Im Jahr 2022 wurden gut 2,4 Mio. Unfälle statistisch erfasst, wobei es zu rund 361.000 Verletzten und knapp 2.800 Verkehrstoten kam. Seit der Jahrtausendwende bis zum Jahre 2021 werden Jahr für Jahr mehr als 120.000 Verkehrsunfallsachen vor deutschen Gerichten verhandelt. Sowohl in der außergerichtlichen wie auch in der gerichtlichen Tätigkeit sind Anwälte tätig, denen – wie sollte es auch bei Menschen anders sein – Fehler unterlaufen. Der nachfolgende Aufsatz soll die Kollegenschaft sensibilisieren und durch das Aufzeigen von Vorgehensweisen zu einer Minimierung des Haftungsrisikos beitragen.
B. Ausgangslage
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. Anderes gilt nur, soweit der Mandant eindeutig zu erkennen gibt, "dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf". Dieser weitgehenden Verpflichtung hat der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit Rechnung zu tragen, was nicht nur den in Anspruch genommenen Versicherern, sondern gelegentlich auch den Gerichten missfällt.
C. Mandatsannahme
Bei Annahme eines Mandates in der Unfallschadenregulierung ist nicht nur die übliche Interessenkollisionsprüfung vorzunehmen. Während es in der Medizin selbstverständlich ist, dass bei einem Erstkontakt zunächst eine Anamnese erhoben wird, scheint dies in der anwaltlichen Tätigkeit nicht selbstverständlich.
Die uns allen bekannten Rügen zur Aktivlegitimation zwingen bereits frühzeitig, der Fragestellung nachzugehen, ob der Mandant Eigentümer des Kraftfahrzeuges ist oder Leasingnehmer oder ob Sicherungseigentum besteht. Im Hinblick auf die Hinweispflichten bei einer nicht bestehenden Vorfinanzierbarkeit des Schadens ist selbstredend auch die finanzielle Situation des Mandanten aufzuklären. Unterbleibt dies und wird der Versicherer nicht frühzeitig auf die mangelnde Vorfinanzierbarkeit hingewiesen, so soll ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vorliegen.
Bei Personenschäden ist es unabdingbar, den gesamten Versicherungsstatus zu erfragen. Hierzu gehört zwingend die Frage nach einer etwa bestehenden Fahrerschutzversicherung oder Forderungsausfallversicherung.
Ist dem Rechtsanwalt – wie nicht selten – die Fahrerschutzversicherung unbekannt, so wird er für einen Unfallverletzten bei Mithaftung oder Alleinhaftung nicht 100 % des Schadens durchsetzen, obwohl dies mit Hilfe der Fahrerschutzversicherung unschwer möglich ist. Möglicherweise klagt er die nicht regulierten 50 % ein und unterliegt, wodurch er weitere Kosten produziert.
Eine entsprechende Haftung liegt sodann auf der Hand. Bei der zunehmenden Anzahl von Fahrradunfällen ohne Kfz-Beteiligung wird der Anwalt bei ersichtlicher Vermögenslosigkeit des Schädigers möglicherweise von einer Titulierung abraten, weil der Mandant "nicht gutes Geld schlechtem hinterherwerfen soll". Lässt sich der titulierte Anspruch indes über eine Forderungsausfallversicherung des Mandanten realisieren, so liegt auch hier die Haftung des Anwalts nahe. Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts, insbesondere eines Fachanwalts für Verkehrsrecht, darf der Mandant erwarten, dass dem Beauftragten entsprechende Versicherungen bekannt sind und er diese für den Auftraggeber nutzbringend einsetzt.
Stellt der Rechtsanwalt bei der durchgeführten Befragung fest, dass weitergehende Versicherungen bestehen, so sollte er sich die entsprechenden Versicherungsscheine vorlegen lassen. Es sollten dann die notwendigen Fristen notiert und der Mandant befragt werden, ob er auch im Hinblick auf diese etwa festgestellten Versicherungen eine Tätigkeit durch den Rechtsanwalt wünscht. Da hier regelmäßig kein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer besteht, ist der Mandant hierauf hinzuweisen und gleichzeitig zu befragen, ob gleichwohl eine Tätigkeit durch den Rechtsanwalt erfolgen soll. Die Praxis des Verfassers belegt, dass die Mandanten regelmäßig eine diesbezügliche Tätigkeit beauftragen. In der Praxis des Unterzeichneten hat sich eine Vorgehensweise dergestalt etabliert, dass der Mandant im Anschluss an das Erstgespräch angeschrieben wird und er in diesem Schreiben darauf hingewiesen wird, dass für die Tätigkeit eine Rechnung gestellt wird, da die diesbezügliche Tätigkeit nicht als Schadenposition im Sinne des § 249 ...