FeV – Änderungen durch das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (BGBl 2024 I Nr. 109)
Leitsatz
In Verfahren über Anfechtungsklagen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich derjenige des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23 – zfs 2024, 533), im Fall also derjenige des Erlasses der Entziehungsverfügung durch deren Zustellung. Bei einer Verwaltungsentscheidung in einem wegen Cannabis-Konsums vor dem 1.4.2024 geführten Fahrerlaubnis-Entziehungsverfahren sind damit die Änderungen der FeV durch das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (BGBl 2024 I Nr. 109) am 1.4.2024 ebenso unerheblich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23, zfs 2024, 533) wie die Änderungen des § 24a StVG (namentlich in Gestalt der Einfügung eines Abs. 1a) durch das am 22.8.2024 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl I Nr. 266). (Leitsatz der Schriftleitung)
OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.9.2024 – 12 PA 27/24
1 Sachverhalt
Der Kl. wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine am 27.4.2022 erhobene Klage gegen den Bescheid des Bekl. v. 28.3.2022 über die kostenpflichtige Entziehung der Fahrerlaubnis (u.a.) der Klasse B. Dieser Bescheid wurde seinen Verfahrens- und Prozessbevollmächtigten am 30.3.2022 zugestellt.
Nach einer Kraftfahrt v. 4.8.2021 unter dem Einfluss von Cannabis (Konzentrationen im Blutserum: THC: 1,0 ng/ml und THC-Carbonsäure: 12,2 ng/ml) befolgte der Kl. die daraufhin ergangene und am 12.2.2022 zugestellte Anordnung des Bekl. v. 9.2.2022 nicht, sich binnen acht Tagen nach Zustellung dieser Anordnung einer ärztlichen Begutachtung mit Drogenscreening zu unterziehen und das daraufhin zu erstellende ärztliche Gutachten binnen 28 Tagen vorzulegen. Der Bekl. sah ihn deshalb gestützt auf die §§ 46 und 11 Abs. 8 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen an und entzog ihm kostenpflichtig unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis. Die Anordnung des Sofortvollzuges hat das VG mit Beschl. v. 18.5.2022 – 6 B 52/22 – aufgehoben, weil sie entgegen § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO nicht begründet worden war. Es hat allerdings mit seinem hier angegriffenen Beschl. v. 27.2.2024 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage abgelehnt.
2 Aus den Gründen:
“I. … Die zulässige Beschwerde gegen diesen Beschl. ist unbegründet.
Das VG hat die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung des Kl. (§ 166 Abs. 1 S. 1 VwGO i.V.m. § 114 S. 1 ZPO) zu Recht verneint. Die Beschwerdegründe des Kl. rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Die Änderungen der FeV durch das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (BGBl 2024 I Nr. 109) am 1.4.2024 sind für den vorliegenden Fall ebenso unerheblich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23, zfs 2024, 533 = juris, Rn 5) wie die Änderungen des § 24a StVG – namentlich in Gestalt der Einfügung eines Abs. 1a – durch das am 22.8.2024 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Änderung des StVG und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (BGBl I Nr. 266).
In Verfahren über Anfechtungsklagen gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt grundsätzlich derjenige des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.2024 – BVerwG 3 B 11.23, a.a.O.), hier also derjenige des Erlasses der Entziehungsverfügung vom 28.3.2022 durch deren Zustellung (vgl. NdsOVG, Urt. v. 10.8.2020 – 12 LB 64/20, DAR 2021, 164 ff., hier zitiert nach juris, Rn 31) am 30.3.2022. In Fällen, in denen die Fahrerlaubnisentziehung – wie hier – auf einer Verneinung der Fahreignung des Betroffenen nach Anwendung der Beweisregel (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 30.4.2024 – 12 ME 19/24, DVBl. 2024, 1046 ff., hier zitiert nach juris, Rn 45, m.w.N.) des § 11 Abs. 8 S. 1 FeV (i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV) beruht, gilt allerdings die Besonderheit, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der nicht befolgten behördlichen Begutachtungsanordnung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt deren Erlasses ankommt (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 30.4.2024 – 12 ME 19/24, a.a.O., juris, Rn 33, m.w.N.), und d.h. im vorliegenden Falle auf den Zeitpunkt der Zustellung dieser Anordnung am 12.2.2022.
War eine Begutachtungsanordnung zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig, ist in Anwendung der Beweisregel des § 11 Abs. 8 S. 1 FeV zu beurteilen, ob unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entziehungsentscheidung gegebenen gesamten Sachlage, insbesondere der damals für die Nichtvorlage des geforderten Gutachtens maßgeblichen Gründe, deshalb auf eine Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden konnte, weil sich in der Nichtbeibringung des Gutachtens seine aktuelle Weigerung manifestierte, den notwendigen eigenen Teil zur Sachaufklärung beizutragen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.9.2019 – 12 ME 100/19, Blutalkohol ...