II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.
1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch die Beklagtenseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, da die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Dies wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen und begegnet keinen Bedenken.
2. Die danach gebotene Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 StVG, die aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2023 – VI ZR 287/22, Rn 12, juris), führt hier zwar zur überwiegenden, entgegen dem Landgericht aber nicht zur Alleinhaftung der Beklagten.
a) Keinen Bedenken begegnet, dass das Landgericht auf Beklagtenseite enen Rotlichtverstoß der Erstbeklagten für nicht bewiesen erachtet hat. Für einen solchen streitet entgegen der Auffassung des Klägers auch kein Anscheinsbeweis.
aa) Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt stets einen Geschehensablauf voraus, bei dem sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat. Dabei muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2023 – VI ZR 287/22, Rn 18, juris).
bb) Danach kommt ein Anscheinsbeweis für einen Rotlichtverstoß der Erstbeklagten hier nicht in Betracht. Dass der Kläger erst angefahren ist, nachdem die für ihn geltende Lichtzeichenanlage Grün anzeigte, lässt unter den gegebenen Umständen nach der Lebenserfahrung nicht den Schluss zu, dass die Erstbeklagte bei für sie angezeigtem Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sein muss. Da der abbiegende Lkw den aus der … kommenden Verkehr an der Überquerung der Kreuzung hinderte, bleibt ebenso möglich, dass die Erstbeklagte ebenfalls bei Grün in die Kreuzung eingefahren ist und dort den Abbiegevorgang des Lkw abgewartet hat. Soweit der Kläger meint, in diesem Fall habe der Lkw nicht ohne Inanspruchnahme der Linksabbiegerspur der klägerischen Fahrtrichtung abbiegen können, trifft dies ausweislich der Skizze im Gutachten des Sachverständigen … nicht zu.
b) Mit Recht hat das Landgericht auf Beklagtenseite einen Verstoß der Erstbeklagten gegen § 1 Abs. 2 StVO berücksichtigt. Selbst wenn es sich bei der Erstbeklagten – was freilich nicht feststeht – um einen "echten Nachzügler" gehandelt haben sollte, hätte sie die Kreuzung nur vorsichtig und unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- oder Querverkehrs verlassen dürfen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 26.8.2016 – 7 U 22/16, Rn 24, juris; KG Berlin, Urt. v. 13.6.2019 – 22 U 176/17, Rn 23, juris; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.5.2021 – 1 U 18/20, Rn 13, juris). Die Erstbeklagte hat demgegenüber – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – ein besonders gefährliches Fahrmanöver durchgeführt, indem sie die Kreuzung unter Nutzung des dem Linksabbiegerverkehr aus der … vorbehaltenen Bereichs trotz der Sichtbehinderung durch den abbiegenden Lkw und ohne auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten überquert hat. Sie hat damit die gebotene Sorgfalt in erheblichem Maße missen lassen. Dem kann die Berufung nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Nutzung der Gegenfahrbahn schütze den Kläger als querenden Verkehr nicht, da es keinen Unterschied mache, ob der von links kommende Verkehr die Kreuzung unter Nutzung der eigenen oder der Gegenfahrbahn räume.
c) Aber auch auf Klägerseite ist entgegen dem Landgericht ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen.
aa) Ein Kraftfahrer, der – wie der Kläger – bei Grün in eine Kreuzung einfährt, braucht zwar im Allgemeinen nicht damit zu rechnen, dass Querverkehr unter Missachtung des für ihn geltenden Rotlichts von der Seite her in die Kreuzung einfährt (vgl. Wern in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 37 StVO (Stand: 12.12.2023), Rn 27 m.w.N.). Dieses ihm an sich zustehende Vorfahrtrecht entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, den aufgrund vorangegangener Lichtphase in die Kreuzung eingefahrenen Verkehrsteilnehmern, die diese nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten, das Vorrecht einzuräumen (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.1976 – VI ZR 264/75, Rn 9, juris). Eine unübersichtliche Kreuzung darf daher auch bei Grün nur vorsichtig mit Anhaltebereitschaft durchfahren werden, weil mit Nachzüglern zu re...