Die meisten reiserechtlichen Entscheidungen ergingen auch in 2013 (wie bereits in den Vorjahren) zum Luftbeförderungsrecht – insbesondere zur Europäischen Fluggastrechteverordnung. Hintergrund ist, dass den von Annullierungen und großen Verspätungen betroffenen Fluggästen meist ein (an nur sehr wenige Anspruchsvoraussetzungen geknüpfter) Ausgleichsanspruch zusteht, welcher von manchen Airlines aber nur sehr zurückhaltend reguliert wird. Obwohl nach der inzwischen absolut gefestigten Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des BGH große Verspätungen von mindestens 3 Stunden grundsätzlich wie Annullierungen zu behandeln sind und ggf. ein Ausgleichsanspruch besteht, wird insb. von Seiten der Luftfahrtunternehmen nach wie vor Kritik an dieser sehr weiten Auslegung der Fluggastrechteverordnung geübt. Nur einzelne Amtsgerichte sind derzeit noch der Ansicht, dass entgegen der Rechtsprechung des EuGH bei Verspätungen keine Ausgleichszahlung zu gewähren sei.
I. Anschlussflüge
In der Vergangenheit war die rechtliche Behandlung von Beförderungsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit Anschlussflügen höchst umstritten. Wie bereits im Vorjahresartikel kurz erwähnt, hatte der EuGH sich in der Sache "Air France/Folkerts" mit seiner Entscheidung vom 26.2.2013 mit dieser Problematik befasst. Im dortigen Fall war die Maschine in Deutschland mit "nur" zweieinhalbstündiger Verspätung gestartet und entsprechend verspätet in Paris angekommen. In der Folge verpasste die betroffene Passagierin dann aber den gebuchten Anschlussflug von Paris nach Sao Paulo (Brasilien). Sie erreichte ihr Endziel schließlich erst mit einer Verspätung von elf Stunden. Der EuGH entschied dazu, dass im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen die pauschale Ausgleichszahlung anhand der Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel (Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggastes) bemessen werden muss. Der EuGH beantwortete die ihm vorgelegten Fragen somit dahingehend, dass einem Fluggast eines Flugs mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Ziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreicht hat, eine Ausgleichszahlung zusteht. Diese Ausgleichszahlung hängt nämlich nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug ab.
Vor dem Hintergrund des beschriebenen EuGH-Urteils nahm Air France dann in dem das Vorabentscheidungsersuchen auslösenden Verfahren vor dem BGH die Revision zurück.
Der BGH hat die Rechtsprechung des EuGH zur Anschlussflug-Problematik nun aber in zwei anderen Urteilen umsetzen können:
Dem Urteil des BGH vom 7.5.2013 lag ein Sachverhalt zugrunde, wonach die betroffenen Reisenden mit der Iberia von Berlin-Tegel nach Madrid und von dort aus weiter nach San Jose (Costa Rica) fliegen wollten. Der Start des Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit eineinhalb Stunden Verspätung. In der Folge konnte der Anschlussflug nach San Jose nicht mehr erreicht werden, weil der Einsteigevorgang bereits beendet war, als die Reisenden am Gate ankamen. Die Reisenden wurden dann erst am Folgetag nach San Jose befördert. Der BGH gab zwar den Vorinstanzen Recht, dass dem beklagten Luftfahrtunternehmen die Beförderungsverweigerung ("Nichtbeförderung" gem. Art. 4 der Verordnung) nicht zur Last falle, allerdings bejahte der BGH – anders als die Vorinstanzen – im Ergebnis den Ausgleichsanspruch unter dem Gesichtspunkt der großen Verspätung. Der BGH stellt klar, dass es in derartigen Fällen unerheblich ist, ob der Anschlussflug selbst verspätet ist oder überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt.
Diese Textpassage dürfte in der Praxis zu einer immensen Ausweitung des faktischen Anwendungsbereichs der Europäischen Fluggastrechteverordnung führen, da somit also auch solche Verspätungsfälle erfasst sind, die nur auf dem ersten Abschnitt im Gebiet eines Mitglied...