Die zweite wesentliche Komponente bei der Ermittlung des "richtigen" Kapitalisierungsfaktors ist der zugrunde zu legende Zinsfuß. Hierüber gibt es in der Praxis wohl die gravierendsten Differenzen.
Vorab muss geklärt sein, auf welche Art und Weise der Abfindungsbetrag anzulegen ist, um das oben bereits mehrfach genannte Ziel der Kapitalisierung am besten zu erreichen. Sicher kommt dafür nicht jede denkbare Geldanlage in Betracht. So sollte klar sein, dass spekulative Geldanlagen, die zwar einen relativ hohen Zinsfuß anbieten, aber dementsprechend risikoreich sind, auszuscheiden haben. Einem Geschädigten kann nur eine sichere Geldanlage zugemutet werden, wie dies auch viele Versicherer anbieten, allerdings mit den für sichere Geldanlagen üblichen niedrigen Zinssätzen. Im Idealfall ist eine mündelsichere Anlage anzustreben.
In der Praxis könnte es eine Lösung sein, dass der Versicherer, der eine Rente kapitalisieren möchte, den Zinssatz zugrunde legt, den er selbst auf dem Kapitalmarkt für eine Geldanlage mit genau der zu vereinbarenden Laufzeit anbietet.
Unabhängig davon stellt sich aber die Frage, welcher Zinssatz denn nun wirklich der "richtige" ist.
So vertreten Küppersbusch/Höher die Ansicht, dass "unabhängig von den jeweils erzielbaren Kapitalmarktzinsen ein Zinssatz von 5 % üblich und angemessen" sei. Eine Begründung, weshalb das so sein soll, liefern die Autoren allerdings nicht. Soweit hierbei auf ein Urteil des BGH von 1981 verwiesen wird, muss berücksichtigt werden, dass die Zinsen zum Zeitpunkt der genannten Entscheidung im zweistelligen Bereich lagen.
Auch das KG hat jüngst (NZV 2012, 445) 5 % als "richtig" erachtet. Eine Begründung liefert jedoch auch das KG nicht, sondern verweist ausschließlich auf Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 10. Aufl., nach dem 5 % "üblich" seien. Offen bleibt die Frage, ob das auch angemessen ist. Es geht – darauf ist das KG nicht eingegangen – nicht um die Frage, ob ein bestimmter Zinssatz "üblich" ist oder nicht, sondern allein darum, ob der Geschädigte in der Lage ist, mit dem kapitalisierten Betrag die geschuldete Rente auch zu erwirtschaften. Aus diesem Grunde kann der Zinssatz gerade nicht – wie Küppersbusch/Höher a.a.O. meinen – unabhängig vom Kapitalmarkt bestimmt werden. Denn der Kapitalmarkt bietet die Bedingungen, zu denen das genannte Ziel erreicht werden kann. Genauso gut könnte man sonst auch sagen, dass unabhängig vom Kapitalmarkt stets ein Zinssatz von z.B. nur 1 % angemessen sei. Im Ergebnis wäre die Bestimmung des Zinsfußes dann rein willkürlich.
Im Gegensatz dazu stehen beispielsweise Schah Sedi/Schah Sedi auf dem Standpunkt, dass 2 % angemessen seien. Auch Huber spricht sich für einen niedrigen Zinsfuß aus und möchte bei dessen Bemessung die Verzinsung von Bundesanleihen mit einer mittelfristigen Laufzeit zugrunde legen.