BGB § 249 Abs. 2
Leitsatz
1. Auch bei einem Dieselfahrzeug mit einer Laufleistung von 195.000 km ist ein merkantiler Minderwert nachvollziehbar und angemessen.
2. Ob tragende Teile beschädigt wurden ist bei dem Verständnis des merkantilen Minderwerts nicht relevant.
(Leitsätze des Einsenders)
AG Hamburg, Urt. v. 24.10.2013 – 52 C 63/13
Sachverhalt
Bei einem Verkehrsunfall wurde ein 7 Jahre altes Dieselfahrzeug mit einer Laufleistung von 195.000 Kilometern beschädigt. Das AG nahm eine ersatzfähige Wertminderung an.
2 Aus den Gründen:
" … Zwar war der klägerische verunfallte Pkw V zum Unfallzeitpunkt bereits 7 Jahre alt und hatte eine Laufleistung von ca. 195.000 km. Jedoch steht dies dem Ansatz eines merkantilen Minderwerts des klägerischen Pkw infolge des streitgegenständlichen Unfalls nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht entgegen."
Der Unfallgeschädigte ist nach § 249 BGB so zu stellen, wie er ohne den Unfall stünde. Erstattungsfähig ist danach auch ein sog. merkantiler Minderwert am Pkw, der nach vollständiger sach- und fachgerechter Reparatur verbliebe. Dabei kommt es insb. darauf an, wie ein solches Fahrzeug im Gebrauchtwagengeschäft, auch bei vollständiger fachgerechter Instandsetzung des Unfallschadens bewertet würde (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03; LG Mainz, Urt. v. 14.2.2007 – 3 S 133/06, zit. nach juris).
Im konkreten vorliegenden Fall hatte der verunfallte klägerische Pkw ausweislich des vorgelegten privaten Schadensgutachtens einen Wiederbeschaffungswert von 6.900 EUR. Durch den streitgegenständlichen Unfall ist ein Reparaturschaden von 5.815,71 EUR netto eingetreten. Das private Sachverständigengutachten des Kl. hat unter “Wertminderung‘ insb. Fahrzeugalter und konkreten Erhaltungszustand bei dem Ansatz der Wertminderung ausdrücklich berücksichtigt. Weiter hat der private Sachverständige S ausgeführt, dass die 200 EUR angesetzte Wertminderung der Betrag sei, der nach einer Instandsetzung des konkreten Fahrzeugs bei Veräußerung als Mindererlös gegenüber einem vormals nicht beschädigten Fahrzeug aufgrund der Offenbarungspflicht durchschnittlich zu erwarten sei.
Allein darauf, ob “tragende Teile‘ beschädigt worden seien, kann es bei diesem Verständnis des merkantilen Minderwertes nicht ankommen.
Da die Bekl. die tatsächlichen Feststellungen des privaten Sachverständigen S nicht bestritten hat, genügt das pauschale Bestreiten einer Wertminderung, ohne nähere Darlegung, warum das Gutachten insoweit falsch sein soll, nicht (so auch LG Mainz, a.a.O.). Berücksichtigt man heute die wesentlich höhere Lebenserwartung vergleichbarer Fahrzeuge, insb. auch die Langlebigkeit eines Dieselmotors, ferner den auch hier nicht unerheblichen Schadensumfang sowie den immer noch beträchtlichen Wiederbeschaffungswert, so erscheint es ohne Weiteres nachvollziehbar, dass ein solches Fahrzeug im Gebrauchtwagengeschäft, auch bei fachgerechter Instandsetzung des Unfallschadens nicht genauso bewertet wird wie ein unfallfreier Pkw (so auch LG Mainz, a.a.O.).
Im konkret vorliegenden Fall hatte der klägerische verunfallte 7 Jahre alte V bei konkretem Alter, Erhaltungszustand und Laufleistung einen unbestrittenen Wiederbeschaffungswert von 6.900 EUR. Dass – auch nach vollständiger sach- und fachgerechter Reparatur – auf dem Gebrauchtwagenmarkt für ein solches Fahrzeug mit dem streitgegenständlichen behobenen Unfallschaden nur noch 6.700 EUR erzielbar seien, hielt das Gericht im Rahmen des § 287 ZPO für nachvollziehbar, angemessen und nicht übersetzt. Die beanspruchte Wertminderung von 200 EUR ist im vorliegenden Streitfall daher der Höhe nach nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO) … .“
Mitgeteilt von RA Gunnar Stark, Hamburg
3 Anmerkung:
Ob eine merkantile Wertminderung bei einem "Altfahrzeug" angenommen werden kann, ist im Laufe der Zeit nach der grds. Anerkennung der merkantilen Wertminderung unterschiedlich beantwortet worden. Nachdem der BGH in seiner Grundsatzentscheidung v. 3.10.1961 (NJW 1961, 2253 = VersR 1961, 1043) von einem merkantilen Minderwert eines Unfallfahrzeugs trotz Behebung der Schäden im Hinblick auf den von etwaigen Käufern des Fahrzeugs gehegten Befürchtungen fortbestehender Schäden und damit der geminderten Chance einer für den Verkäufer günstigen Preisgestaltung ausging, wurde zunächst eine Grenze für die Annahme einer merkantilen Wertminderung gezogen, die aus Laufzeit und Laufleistung abgeleitet wurde. Die Entschließung des Verkehrsgerichtstags 1975 zog die Grenzen für die Zubilligung einer ersatzfähigen Wertminderung bei einer Laufleistung von 100.000 Kilometern und/oder einer Laufzeit von fünf Jahren. Die verbreitete Tabelle vor Ruhkopf/Sahm (VersR 1962, 593) sah in Fortschreibung dieser Grenzziehungen eine Wertminderung nicht vor, wenn der Pkw älter als 4 Jahre oder eine Laufleistung von mehr als 100.000 Kilometern aufwies. Dem schlossen sich Urteile bis 1990 an (vgl. OLG Karlsruhe zfs 1990, 347; OLG Karlsruhe NZV 1990, 388). Überzeugend ist das heute nicht mehr. Angesichts der durch Fortschritte der Automobiltechnik deutlich gesteigerten Laufleistungen...