Die Entscheidung des OLG Düsseldorf stellt eine Ergänzung des Urt. des BGH v. 13.6.2013 (zfs 2013, 626 f.) dar. Der BGH hatte zum Umfang der Pflichten des den Geschädigten und Kl. vertretenden Rechtsanwalts bei der gerichtlichen Geltendmachung psychischer Schäden Stellung genommen. Kernaussage war es, dass sich der Anwalt nicht ohne Weiteres bei dem von ihm gehaltenen Vortrag mit dem begnügen dürfe, was sein – meist nicht allzu gut informierter – Auftraggeber ihm mitgeteilt habe. Vielmehr müsse sich der Anwalt um zusätzliche Aufklärung bemühen, wenn den Umständen nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung – und damit auch für das Obsiegen im Rechtsstreit – die Kenntnis und vor allem der Vortrag weiterer Tatsachen erforderlich sei (Rn 8 m.w.N.).
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf befasst sich mit einem Ausschnitt der spiegelbildlichen Situation zu der von dem BGH vorgefundenen Konstellation. Aus der Sicht des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherung erscheint als wichtiges, oft nur einziges Verteidigungsmittel der Vortrag geeignet, der geschädigte Kl. habe schon vor dem Unfallereignis an einer negativen gesundheitlichen Prädisposition gelitten, sei es, dass er Vorerkrankungen aufgewiesen habe oder auf psychischem Gebiet schadensanfällig gewesen sei. Dass eine zum Schaden neigende Konstitution des Geschädigten, die entweder den Schaden ermöglicht hat oder doch wesentlich erhöht hat, den Zurechnungszusammenhang nicht ausschließt, liegt auf der Hand. Der Schädiger kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe er einen Gesunden verletzt (vgl. OLG Saarbrücken OLGR 2009, 898, 899). Immerhin wirkt sich eine konstitutionelle Schwäche des Geschädigten so aus, dass eine Verminderung etwaiger Schmerzensgeldansprüche und ggf. eine zeitliche Begrenzung von Erwerbsschadensersatzansprüchen eintritt.
1. Die Rechtsverteidigung des Bekl. in einem Unfallschadensprozess setzt eine Information über etwaige Vorerkrankungen des Geschädigten voraus. Das wäre dann ein unproblematisches Erfordernis, wenn den Geschädigten als nicht beweisbelastete Partei im Rechtsstreit eine allgemeine Aufklärungspflicht auch über ihm ungünstige Tatsachen träfe. Die Annahme einer Aufklärungspflicht dieses Umfangs (vgl. Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien, 1976, S. 85 ff.; Peters, in: Festschrift Schwab, S. 399, 407 ff.; Schlosser, JZ1991, 599) hat sich jedoch nicht durchgesetzt (vgl. BGH NJW 1990, 3151; Arens, ZZP 96, 1, 10 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 109 Rn 8). Sie steht im Widerspruch zu den höherrangigen Grundsätzen, dass niemand seinem Gegner helfen muss, den Rechtsstreit zu gewinnen und mit dem strikten Schutz der Privatsphäre des Prozessgegners (vgl. BVerfG NJW 2002, 3619). Im übrigen hätte der allgemeine Auskunftsanspruch nicht zwingend ergeben, dass eine erst noch zu erstellende Vorerkrankungsliste der Bekl. auszuhändigen war.
2. Von den zahlreichen Sonderregeln des BGB (vgl. die Aufzählung in Rosenberg/Schwab/Gottwald, a.a.O., § 109 Rn 4) hat das OLG Düsseldorf mit Recht § 810 BGB, § 119 VVG und § 188 SGB VII sowie § 242 BGB als taugliche Anspruchsgrundlagen verneint.
3. Der Schwerpunkt der Erörterung liegt ohnehin im Bereich zivilprozessualer Zusammenhänge. Obwohl betont wird, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für dessen Prozesssieg das Material zu verschaffen (vgl. BGH NJW 1958, 1491; BGH NJW 1990, 3151), kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Bekl. als primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs der "Krankheitsbiografie" der Kl. steht, damit keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während die Kl. – wie geschehen – unschwer im Wege der sekundären Darlegungslast Informationen erteilen kann (vgl. BGH NJW 2003, 1449; vgl. auch BGH NJW 1961, 826; BGH NJW 2004, 3183). Da die Kl. ihrer sekundären Darlegungslast genügt hat, blieb die Bekl. beweisfällig. Die Annahme der sekundären Darlegungslast wäre ohnehin nicht schlüssig für einen Anspruch auf Vorlage des Vorerkrankungsverzeichnisses gewesen; lediglich zur Erteilung der Information, nicht aber zur Beifügung eines Belegs hierzu war die Kl. verpflichtet.
Die Entwicklung der sekundären Darlegungslast stellt gegenüber dem verneinten allgemeinen Aufklärungsanspruch bei zutreffender Auskunft ein geeignetes Mittel dar, das Informationsdefizit der Bekl. zu beheben, so dass das Informationsproblem hinreichend behoben ist (vgl. Schreiber, JZ 1991, 415, 416). Die Annahme einer Pflicht der Kl., eine Entbindung von der Schweigepflicht zu erteilen, dürfte schließlich das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung verletzen.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 2/2014, S. 85 - 90