Neben der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ist der individuelle Vorwurf gegen den Betroffenen maßgeblich für die Höhe der Geldbuße. Man kann sich für die Bestimmung der Schwere des Vorwurfs zwar am Katalog des § 46 Abs. 2 StGB orientieren, eine Gleichsetzung mit dem Strafrecht darf aber nicht per se erfolgen, da es ja im Ordnungswidrigkeitenrecht schon dogmatisch nicht um die Schuld eines Täters geht.
Der Verteidiger muss insbesondere darauf achten, dass keine doppelte Verwertung ein und desselben Umstands erfolgt, vor allem beim Vorwurf der vorsätzlichen Begehung, sofern keine Spezialregelung dafür vorliegt: Bei den meisten Verkehrsordnungswidrigkeiten wird nämlich der Bußgeldkatalog als Zumessungsrichtlinie anzuwenden sein, der von fahrlässiger Begehung im Grundsatz ausgeht und bei dem bei Vorsatz § 3 Abs. 4a BKatV anzuwenden ist. In die Abwägung eingestellt werden dürfen die verschiedenen Grade der Begehensform jedenfalls dann, wenn der spezifische Fall hierfür geeignet ist.
Ein besonderer Vorwurf wird bspw. bei einer besonderen rechtsfeindlichen Gesinnung des Betroffenen bejaht, aber auch bei einer besonderen Missachtung der Rechtsordnung, die sich in vorhandenen, in sinnvollem Bezug zur vorgeworfenen Tat stehenden und verwertbaren (!) Voreintragungen widerspiegelt. Das bloße Leugnen der Tat oder eine zu Tage tretende Uneinsichtigkeit dürfen aber seitens des Gerichts ohne eine hinzukommende Rechtsfeindlichkeit nicht bußgelderhöhend verwertet werden. Wichtig für den Verteidiger: Auch Verkehrsverstöße unterhalb der Eintragungsgrenze können, sofern sie dokumentiert, durch das Gericht entsprechend beweisbar und feststellbar, noch nicht (fiktiv) tilgungsreif sind und in einem gewissen Umfang und zeitlichen Zusammenhang vorliegen, zum Nachteil des Betroffenen, d.h. auch bußgelderhöhend verwertet werden.
Umgekehrt können auch besondere Gründe in der Person des Betroffenen zu einer Herabsetzung der Geldbuße herangezogen werden. Genannt werden hier als Beispiele das Bemühen um die Wiedergutmachung des Schadens, ein hoher Eigenschaden des Betroffenen oder auch das seit der Tat ordnungsgemäße Verhalten im Straßenverkehr. Solche mildernden Umstände dürfen jedenfalls nicht unter Berufung auf das Prinzip der Gleichbehandlung unberücksichtigt bleiben.
Höchste Vorsicht ist geboten, wenn der Verteidiger Anzeichen dafür entdeckt, dass der Betroffene aufgrund seiner beruflichen Stellung zu einer höheren Geldbuße verurteilt werden soll: Diese spielt keine Rolle für die Bußgeldbemessung. Lediglich Erfahrung oder Verantwortung aus einer beruflichen Tätigkeit können für eine Abgrenzung zum herkömmlichen Betroffenen führen. Dies gilt ebenso bei der Strafzumessung nach dem StGB, wo aus der beruflichen Stellung eines Angeklagten nur dann ein Strafschärfungsgrund hergeleitet werden darf, wenn sich aus ihr besondere Pflichten ergeben, deren Verletzung im Hinblick auf die abzuurteilende Tat Bedeutung hatte, oder wenn zwischen dem Beruf und der Tat eine innere Beziehung besteht. Auch die gehobene soziale Stellung eines Täters darf als solche nicht zu einem gesteigerten Vorwurf führen.