Vgl. BGH zfs 2015, 16.
1. Die Entscheidung fasst die in der bisherigen Rspr. zur Ausgleichszahlung von dem BGH entwickelten Grundsätze zusammen. Der Ausgangspunkt von Art. 7 Abs. 1 der FluggastrechteVO scheint für den Fall der Verspätung eines Fluges im Regelfall einen Ausgleichsanspruch zu begründen, wobei auf die Ankunftsverspätung abzustellen ist (vgl. die Nachweise in Rn 8). Die entscheidende Weichenstellung für den Ausgleichsanspruch wird damit nicht vorgenommen, da als Ausschlussklausel für den Anspruch nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung "außergewöhnliche Umstände" angeführt werden. Dieser Begriff wird in der Verordnung nicht definiert, so dass die Begriffsbestimmung durch die Rspr. entwickelt werden musste, wobei der Erwägungsgrund 14 der Verordnung hilfreiche Anhaltspunkte für die Umschreibung der außergewöhnlichen Umstände liefert (vgl. Rn 11 der Entscheidung des BGH zfs 2015, 16). Der BGH hatte für Fälle politischer Instabilität, mit der Durchführung eines Fluges unvereinbare Witterungsbedingungen, Sicherheitsrisiken und den Betrieb des Luftverkehrsunternehmens beeinträchtigende Streiks Umstände ausgemacht, bei deren Vorliegen die rigide Ausgleichungspflicht des Luftverkehrsunternehmens ausschied.
Ob ein technischer Defekt eines Flugzeugs wegen eines Vogelschlags ein außergewöhnlicher Umstand ist oder eine typische Erschwerung des Betriebs eines Flugzeugs, müsste in erster Linie danach beurteilt werden, welche Häufigkeit des Eintritts eines Vogelschlages mit der Folge der beeinträchtigten Funktion einer Turbine anzunehmen ist. Diese Frage, die von dem nationalen Tatrichter zur Ausfüllung des Ausnahmetatbestandes der Ausgleichspflicht zu beantworten ist (BGH NJW 2014, 861 Rn 11), würde bei der Bejahung allzu großzügiger Kataloge technischer Vorkommnisse als außergewöhnlicher Umstand die Gefahr begründen, dass die auf den ersten Blick regelhafte Zubilligung des Ausgleichsanspruchs leer liefe, der Ausnahmefall des Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO regelmäßig den Ausgleichsanspruch ausschlösse, sich in Wahrheit als Regelfall der verneinten Haftung für Flugverspätungen darstellte.
2. Das würde der europarechtlichen Haftungsbestimmung des Art. 7 Abs. 1 der FluggastrechteVO die Wirkung nehmen, was im Widerspruch dazu steht, dass Normen des Gemeinschaftsrechts so auszulegen sind, dass sie ihre volle Wirkung entfalten, der anzustrebende effet utile erreicht wird (vgl. EuGH NJW 1992, 165 f.).
Dem trägt die nationale Rspr. dadurch Rechnung, dass mit der Bejahung des Vorliegens eines außergewöhnlichen, für die Ankunftsverspätung ursächlichen Umstandes die Überlegungen zu den Ausgleichszahlungen nicht abbrechen, sondern ein weiteres Problemfeld eröffnet wird. Das Luftverkehrsunternehmen muss nunmehr darlegen und ggf. beweisen, welche Maßnahmen von ihm getroffen worden sind, die Annullierung oder große Verspätung der Ankunft des Fluges zu vermeiden. Der nationale Richter ist bei der Prüfung dieser Frage nicht zu beneiden. Maßstab ist die Zumutbarkeit vorbeugender und bei Eintritt des Verzögerungstatbestandes zu treffender Maßnahmen, wobei in die Bewertung technische und finanzielle Umstände einfließen sollen (vgl. die in Rn 10 aufgeführten Entscheidungen). Einigkeit besteht immerhin, dass Luftverkehrsunternehmen nicht verpflichtet sind, Ersatzmaschinen und ggf. eine Ersatzcrew vorzuhalten, was der BGH einleuchtend als "unwirtschaftlichen Aufwand" bezeichnet hat (vgl. BGH zfs 2015, 18 Rn 20). Den Verbrauchern wäre damit nicht gedient, da dieser Aufwand auf die Beförderungspreise umgelegt werden müsste. Unsicherheiten, welche Vorsorgemaßnahmen noch zumutbar sind, welche dagegen nicht mehr, lassen sich auch nicht mit überzeugenden, aber nicht aussagekräftigen Feststellungen zu "guter fachlicher Praxis" und zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs der rechtzeitigen Beförderung beheben, umso mehr als die Vielzahl der Situationen, die zu Verzögerungen der Flugleistungen führen, kaum überschaubar ist.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 2/2015, S. 76 - 78