" … II. Die gem. § 464b S. 3 StPO, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPfIG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss statthafte sofortige Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt; der Beschwerdewert nach § 304 Abs. 3 StPO ist – auch unter Berücksichtigung des Umfangs der Teilabhilfeentscheidung vom 8.9.2015 – überschritten."
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Zu Unrecht ist mit dem angefochtenen Beschluss eine Kürzung vorgenommen worden. Dem Angeklagten sind die von seinem Verteidiger geltend gemachten Gebühren und Auslagen in voller Höhe zu erstatten.
In welcher Höhe eine dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit dem Grunde nach zustehende Rahmengebühr erstattungsfähig ist, hängt von den in § 14 RVG aufgeführten Umständen ab (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 464a Rn 11).
Ausgangspunkt für die Gebühr, die der Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen hat, ist nach überwiegend vertretener Auffassung grds. der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr (Hartmann, KostG, 45. Aufl., § 14 RVG Rn 14). Die Mittelgebühr soll gelten, wenn sämtliche gem. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insb. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers, als durchschnittlich einzuordnen sind. Sie gilt wegen der vorzunehmenden Gesamtabwägung aber auch, wenn erhöhende und vermindernde Bemessungskriterien etwa gleichgewichtig sind oder wenn ein Bestimmungsmerkmal ein solches Übergewicht erhält, dass dadurch das geringere Gewicht mehrerer anderer Merkmale kompensiert wird.
Bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren räumt die Vorschrift des § 14 Abs. 1 RVG dem Rechtsanwalt ein weites billiges Ermessen ein (Hartmann, a.a.O., § 14 RVG Rn 21); die von ihm getroffene Bestimmung ist, wenn – wie hier – ein Dritter die Gebühr zu ersetzen hat, gem. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Rechtspfleger und Gericht sind in dem Kostenfestsetzungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob sich die geltend gemachte Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens hält und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist. Allein dann, wenn der Gebührenansatz missbräuchlich erfolgt und bei einer Gesamtabwägung unbillig ist, darf und muss das Gericht die Gebühr neu festsetzen (vgl. Hartmann, a.a.O., Rn 23). Unbillig ist der Gebührenansatz nach herrschender Ansicht dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 Prozent über der angemessenen Höhe liegt (BGH RVGreport 2007, 21 (Hansens) = zfs 2007, 102 m. Anm. Hansens = AGS 2007, 28 m. Anm. Schons).
Unter Anwendung dieses Maßstabes lässt sich eine Unbilligkeit im vorliegenden Fall nicht feststellen. Vielmehr erachtet die Kammer die Ansetzung von Mittelgebühren für angemessen. Ausgehend von der Mittelgebühr ist festzustellen, dass es sich um ein Verkehrsstrafverfahren mit einer simplen Fragestellung, nämlich der Fahrereigenschaft des Angeklagten, handelte. Rechtliche Schwierigkeiten gab es nicht. Die Anzahl der Zeugen sowie der Umfang ihrer Vernehmungen waren gering. Die Aussagen der verschiedenen Zeugen waren auch nicht schwierig zu erfassen. Der Aktenumfang bis zur Anklageerhebung war ebenfalls gering, er betrug 41 Seiten, von denen nur 5 Seiten (die Strafanzeige und die Aussagen der Zeugen) relevant waren. Es war mithin von einer Angelegenheit mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und unterdurchschnittlichem Umfang auszugehen. Dies würde eine Unterschreitung der Mittelgebühr rechtfertigen. Entscheidend kommt es hier jedoch, wie auch in der Begründung des Kostenfestsetzungsantrags zutreffend ausgeführt, auf die Bedeutung der Sache für den ehemaligen Angeklagten an. Bei einem Verkehrsstrafverfahren ist der Ansatz von Mittelgebühren angemessen, wenn es sich zwar um eine Angelegenheit mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad und unterdurchschnittlichem Umfang handelte, die Sache aber für den Angeklagten wegen einer zu erwartenden Freiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt hätte werden können, von hoher Bedeutung war (vgl. LG Koblenz JurBüro 2010, 34). In Anbetracht der umfangreichen Vorstrafenliste, die eine Vielzahl von einschlägigen Delikten enthält, hätte hier der Angeklagte im Falle eines Schuldspruchs tatsächlich mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe zu rechnen gehabt, deren Vollstreckung nicht mehr zur Bewährung hätte ausgesetzt werden können. Diese Gewichtigkeit hebt die die vorgenannten Bemessungsgründe in dem Sinne auf, als dass hier von einer Mittelgebühr ausgegangen werden kann.
Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten setzen sich wie folgt zusammen:
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG |
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165,00 EUR |
3. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV RVG |
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