Der BGH äußerte sich mit Beschluss vom 18.8.2015 zum Gerichtsstand für Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung. Im dort zu entscheidenden Fall verlangte der Kläger eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400 EUR wegen eines verspäteten Fluges nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. b der Fluggastrechte-Verordnung. Der Kläger buchte bei der Fluggesellschaft Air France unter deren Flugnummern eine Flugverbindung von Stuttgart über Paris nach Helsinki. Die Beförderung von Paris nach Helsinki erfolgte im Wege des Code-Sharing durch Finnair, die in Finnland ansässige Beklagte. Der Flug auf dieser zweiten Teilstrecke hatte eine Verspätung von drei Stunden und zwanzig Minuten. Dazu nimmt der BGH nun ausdrücklich die Position ein, dass in der dort vorliegenden Fallgestaltung ein Gerichtsstand (auch) am Abflugort der ersten Teilstrecke, also am Flughafen Stuttgart, eröffnet ist (obwohl die von der Beklagten ausgeführte Teilstrecke Paris-Helsinki keine Verbindung zum Flughafen Stuttgart aufwies). Dies folgt aus zwei Überlegungen: Zum einen dürfte eine Klage auf Ausgleichszahlung auch dann im Gerichtsstand des der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertrags erhoben werden können, wenn das nach der Fluggastrechte-Verordnung verpflichtete "ausführende Luftfahrtunternehmen" nicht zugleich der Vertragspartner des Fluggasts ist. Dafür spricht bereits, dass die Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung eine vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung voraussetzen. Zum anderen dürfte bei einer nach dem Vertrag mehrgliedrigen Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort anzusehen sein, wenn die Klageansprüche aus Ereignissen auf einer anderen Teilstrecke resultieren. Dies entspricht einer konsequenten Anknüpfung an die vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung. Der BGH führt dann weiter aus, dass sich der Gerichtshof der Europäischen Union mit der vorliegenden Fallgestaltung allerdings noch nicht zu befassen hatte. In der Rechtssache "Rehder“ hat der Unionsgerichtshof zwar entschieden, dass der Kläger bei der Durchsetzung einer Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechte-Verordnung zwischen dem Gericht des Ortes des Abflugs und dem des Ortes der Ankunft des Flugzeugs wählen kann. Diese Entscheidung betraf aber eine eingliedrige Flugverbindung, die vom Vertragspartner des Fluggasts selbst durchgeführt wurde. Da sich die vom BGH vorgenommene Bewertung der vorliegenden Fallkonstellation deshalb – nach Ansicht des BGH – nicht hinreichend sicher aus der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ableiten lässt, hat der BGH dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob der Begriff "Ansprüche aus einem Vertrag" auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechte-Verordnung erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist. Soweit Ansprüche aus Vertrag gegeben sind, fragt der BGH ferner, ob bei einer Personenbeförderung auf einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke als Erfüllungsort anzusehen ist, auch wenn die Flugverbindung von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden ist und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen einer anderen Teilstrecke richtet, auf der es zu einer großen Verspätung gekommen ist."
Zu dem Vorlagebeschluss des BGH ist für die Praxis anzumerken, dass die Argumentation des BGH m.E. auch auf "spiegelverkehrte" Sachverhalte übertragbar ist, also auf Fallkonstellationen, in denen das ausführende Luftfahrtunternehmen der ersten Teilstrecke am Ankunftsort der zweiten – von diesem Unternehmen nicht ausgeführten – Teilstrecke (also am Endziel) verklagt wird. In beiden Fällen sind die betroffenen Fluggäste jeweils von einer Verspätung auf einer Teilstrecke betroffen, auf welcher das ausführende (beklagte) Luftfahrtunternehmen nicht identisch ist mit dem Vertragspartner der Fluggäste. Geklagt wird sowohl im Ausgangsfall des BGH als auch im "spiegelverkehrten" Fall jeweils am Gericht des Randpunkts einer mehrgliedrigen Flugverbindung, wobei sich die Klage jeweils gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen einer Teilstrecke richtet, welche nicht den genannten (die Zuständigkeit begründenden) Randpunkt der Gesamtverbindung berührt (Abflugort im BGH-Fall, Ankunftsort im "spiegelverkehrten" Fall).