BGB § 242; StVG § 7
Leitsatz
1. Fahren Motorradfahrer einvernehmlich auf der Landstraße in wechselnder Reihenfolge als Gruppe ohne Einhaltung des Sicherheitsabstandes, führt dies zu einem Haftungsausschluss im Hinblick auf diesen Umstand.
2. Kollidiert der dritte Fahrer mit dem zweiten, nachdem der erste einen Unfall verursacht hat und beide nicht mehr ausreichend bremsen können, hat der zweite gegen den dritten keine Ansprüche aus §§ 7, 17 StVG.
OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.8.2015 – 22 U 39/14
Sachverhalt
Der Kl. macht Schadensersatzansprüche aus einem Motorradunfall geltend. Er fuhr am Unfalltag auf seinem Motorrad mit seinem Bruder, seinem Schwager und dem späteren Bekl. zu 1), die gleichfalls auf ihren Motorrädern unterwegs waren, auf der Landstraße. Der Zeuge A, der mit seinem Kraftrad als erster in der Gruppe fuhr, stieß in einer Kurve mit dem entgegen kommenden Fahrzeug der Zeugin B zusammen. Der hinter A fahrende Kl. stürzte aus zwischen den Parteien streitigen Gründen und erlitt erhebliche Verletzungen; sein Motorrad wurde total beschädigt. Der als Dritter in der Gruppe fahrende Bekl. zu 1) stürzte ebenfalls. Der dahinter fahrende Zeuge C konnte mit seinem Motorrad zwischen den rutschenden und liegenden Motorrädern durchfahren.
Zur Begründung seiner Schadensersatzansprüche hat der Kl. angegeben, aufgrund der Kollision des vor ihm fahrenden Zeugen A sein Motorrad noch rechtzeitig zum Stehen gebracht zu haben, als der Bekl. zu 1) mit seinem Motorrad auf das Heck des Motorrades des Kl. aufgeprallt war. Der Bekl. zu 1), der den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe, habe nach dem Aufprall den Kl. mit seinem Motorrad mit sich geschleppt.
Das LG ging nach eingehender Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens bei seiner Klageabweisung davon aus, dass nicht nachgewiesen sei, dass der Bekl. durch die von dem Kl. behauptete Kollision die Verletzungen des Kl. und die Zerstörung dessen Motorrades verursacht habe. Vielmehr könne es nicht ausgeschlossen werden, dass die Schäden durch Kollisionen während der Rutschphase eingetreten seien. Das BG verneinte seine Bindung an die erstinstanzlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung und ging nach Beweisaufnahme von einem vereinbarten Haftungsausschluss innerhalb der im Pulk fahrenden Motorradfahrer aus.
2 Aus den Gründen:
" … Das LG hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen."
Der Senat ist grds. gem. § 529 ZPO an die erstinstanzlichen Feststellungen gebunden, soweit keine Anhaltspunkte erkennbar sind, die ernstliche Zweifel aufweisen. Das LG hat trotz relativ eindeutiger Aussagen des Sachverständigen nicht die notwendige Überzeugung davon gewinnen können, dass die kompatiblen Schäden am Heck des Fahrzeugs des Kl. und an der Front des Fahrzeugs des Bekl. zu 1) auf einen Anstoß des nachfolgenden Fahrzeugs gegen das fahrende Fahrzeug des Kl. zurückzuführen sind. Angesichts der Unklarheit des konkreten Unfallgeschehens und der Schwierigkeiten bei der Sachverständigenaufklärung mag dies möglich sein, um die Erfordernisse des § 286 ZPO, nämlich einer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bestehenden Überzeugung, die vernünftige Zweifel ausschließt, zu erfüllen. Es verbleibt allerdings die von der Berufung aufgeworfene Frage, ob eine lediglich theoretische Möglichkeit einer zufälligen Beschädigung von Heck und Front beider Fahrzeuge durch Kollisionen mit Fahrbahnbegrenzungen etc. die vom Sachverständigen eindeutig festgestellte Kompatibilität der Schadensbilder ausreichend in Frage stellen kann.
Abschließend muss dies allerdings nicht entschieden werden, da sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist.
Das LG hat zunächst zutreffend außer Acht gelassen, dass im vorliegenden Fall ein weiterer Verursachungsbeitrag darin liegt, dass das Gesamtunfallereignis durch das Verhalten des Zeugen A, nämlich die Unfallverursachung mit dem Fahrzeug der Zeugin B, entstanden ist. Zwar ist bei mehreren Unfallbeteiligten zu prüfen, wie sich die Haftungsanteile in einer Gesamtschau darstellen, um Ungerechtigkeiten bei der Frage der Gesamtschuldbefreiung auszugleichen (vgl. dazu nur BGH MDR 59, 916 grundlegend; OLG Celle, 19.12.2007 – 14 U 78/07 –, Kirchhoff, MDR 2012, 1389). Dies gilt allerdings lediglich, wenn in einem Verfahren mehrere Beteiligte in Anspruch genommen werden oder wenn sich die Frage stellt, inwieweit ein Gesamtschuldner von einem weiteren Regress verlangen kann (vgl. dazu auch Steffen, DAR 1990, 41; Kirchhoff, MDR 2012, 1389).
Eine vom Nachweis der Verursachung unabhängige Haftung des Bekl. zu 1) folgt auch nicht aus § 830 Abs. 1 S. 2 BGB. Mehrere Kraftfahrer, die durch verschiedene selbstständige Verkehrsverstöße einen Unfall herbeigeführt haben, können gem. § 830 Abs. 1 S. 2 BGB haften, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass ihr Tatbeitrag kausal für den Schaden geworden ist. Beteiligung in diesem Sinne setzt weder eine innere Beziehung zwischen den Beteiligten noch die Gleichzeitigkeit ihrer Gefähr...