Entscheidungsstichwort (Thema)
Motorradfahren im Pulk kann zu Haftungsausschluss führen
Leitsatz (amtlich)
1. Fahren Motorradfahrer einvernehmlich auf der Landstraße in wechselnder Reihenfolge als Gruppe ohne Einhaltung des Sicherheitsabstandes, führt dies zu einem Haftungsausschluss im Hinblick auf diesen Umstand.
2. Kollidiert der dritte Fahrer mit dem zweiten, nachdem der erste einen Unfall verursacht hat und beide nicht mehr ausreichend bremsen können, hat der zweite gegen den dritten keine Ansprüche aus §§ 7, 17 StVG.
Normenkette
StVG § 7
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 16.01.2014; Aktenzeichen 2 O 541/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Darmstadt vom 16.01.2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 9.780,41 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 04.2011 auf der Landstraße ... in der Gemarkung O1 ereignete. An diesem Tag befuhr der Kläger mit seinem Kraftrad Z gemeinsam mit seinem Bruder, seinem Schwager sowie dem Beklagten zu 1) die bezeichnete Landstraße von O1 kommend in Richtung O2. Das Motorrad des Beklagten zu 1) ist bei der Beklagten zu 2) versichert. Es handelt sich um ein Kraftrad der Marke X. Der Zeuge A, der mit seinem Kraftrad als erster in der Motorradgruppe fuhr, kollidierte in einer Kurve mit dem ihm entgegenkommenden Fahrzeug der Zeugin B. Der Kläger fuhr dahinter und stürzte mit seinem Motorrad, wobei die Einzelheiten und die Verursachung streitig sind. Als dritter fuhr der Beklagte zu 1) und kam ebenfalls zu Fall. Als letzter fuhr der Zeuge C, der zwischen den rutschenden und liegenden Motorrädern hindurchfahren konnte. Der Kläger erlitt durch den Sturz erhebliche Verletzungen, sein Kraftrad wurde vollständig beschädigt.
Der Kläger hat behauptet, er habe aufgrund der Kollision des vor ihm fahrenden Zeugen sein Motorrad abbremsen müssen. Er habe sein Motorrad noch rechtzeitig zum Stehen bringen können, als der Beklagte zu 1) mit seinem Motorrad unvermittelt auf das Heck des Motorrads aufgeprallt und ihn mit sich geschleppt habe. Der Beklagte zu 1) habe den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Das LG hat nach ausführlicher Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Sachverständigengutachten und seiner Anhörung nicht ausreichend sicher feststellbar sei, dass der Beklagte mit seinem Motorrad gegen das Heck des Motorrads des Klägers gestoßen sei und dieses zu Fall gebracht habe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Beschädigungen am Heck des klägerischen Fahrzeugs und an der Front des Beklagtenfahrzeugs durch Kollisionen während der Rutschphase, insbesondere mit den Fahrbahnbegrenzungen, eingetreten seien.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen weiterverfolgt. Er rügt insbesondere die Beweiswürdigung des LG. Aus den Angaben des Sachverständigen ergebe sich eindeutig, dass keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, dass die Beschädigungen der Fahrzeuge im relevanten Bereich durch andere Kollisionen hätten entstanden sein können.
Die Beklagte zu 2), die als Streithelferin dem Beklagten zu 1) beigetreten ist, verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das LG hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.
Der Senat ist grundsätzlich gemäß § 529 ZPO an die erstinstanzlichen Feststellungen gebunden, soweit keine Anhaltspunkte erkennbar sind, die ernstliche Zweifel aufweisen. Das LG hat trotz relativ eindeutiger Aussagen des Sachverständigen nicht die notwendige Überzeugung davon gewinnen können, dass die kompatiblen Schäden am Heck des Fahrzeugs des Klägers und an der Front des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) auf einen Anstoß des nachfolgenden Fahrzeugs gegen das fahrende Fahrzeug des Klägers zurückzuführen sind. Angesichts der Unklarheit des konkreten Unfallgeschehens und der Schwierigkeiten bei der Sachverständigenaufklärung mag dies möglich sein, um die Erfordernisse des § 286 ZPO, nämlich einer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bestehenden Überzeugung, die vernünftige Zweifel ausschließt, zu erfüllen. Es verbleibt allerdings die von der Berufung aufgeworfene Frage, ob eine lediglich theoretische Möglichkeit einer zufälligen Beschädigung von Heck und Front beider Fahrzeuge durch Kollisionen mit Fahrbahnbegrenzungen etc. die vom Sachverständigen eindeutig festgestellte Kompatibilität der Schadensbilder ausreichend in Frage stellen kann.
Abschließend muss dies allerdings nicht entschieden werden, da sich das Urteil aus anderen Gründen al...