BGB § 823 § 831 § 840 Abs. 2; SGB VII § 105 Abs. 1 S. 1 § 108 Abs. 3; VG § 7 § 18
Leitsatz
1. Hilft der Landwirt als Empfänger dem anliefernden Lkw-Fahrer auf einem Hof bei der Entladung von Schweinen, werden sie auf gemeinsamer Betriebsstätte tätig. Wird der gesetzlich unfallversicherte Landwirt dabei verletzt, ist der Lkw-Fahrer nach § 106 Abs. 3 SGB VII haftungsprivilegiert.
2. Hat der Lkw-Fahrer den Unfall verschuldet, ist der aus § 831 BGB und § 7 StVG mithaftende Lkw-Fahrer wegen gestörter Gesamtschuld gem. § 840 Abs. 2 BGB leistungsfrei.
OLG Oldenburg, Urt. v. 16.4.2015 – 1 U 81/14
Sachverhalt
Der klagende Landwirt, für dessen Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft als Unfallversicherer zuständig ist, nimmt die Bekl. auf die Feststellung deren Haftung in Anspruch. Die Firma X wollte dem Kl. Schweine anliefern. Der bei der Firma X beschäftigte Bekl. zu 1) fuhr mit einem bei der Bekl. zu 2) haftpflichtversicherten Lkw der Firma X, auf dem sich die Schweine befanden, auf das Betriebsgelände des Unternehmens des Kl. Der Bekl. zu 1) fuhr den Lkw rückwärts mit heruntergelassener Ladeklappe an den Schweinestall des Kl. heran. Der Kl. öffnete die nur von innen zu öffnende Stalltür leicht bis zu einem Winkel von 45–50 Grad. Durch die Ladeklappe des rückwärts fahrenden Lkw wurde die Stalltür in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang wieder zugedrückt, wodurch der linke Oberarm des Kl. zwischen Tür und Türrahmen geriet, was zu einer seitdem bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Kl. führte.
Das LG hat der Klage unter Berücksichtigung einer Mithaftung des Kl. mit einer Haftungsquote von 75 % stattgegeben. Sowohl der Kl. als auch die Bekl. haben gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.
Die Berufung der Bekl. hatte Erfolg. Das BG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … 1. a) Der Kl. hat gegen den Bekl. zu 1) keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 StVG vor, da der Kl. bei dem Betrieb des vom Bekl. zu 1) gefahrenen Lkw verletzt worden ist. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB vor, da der Bekl. zu 1) durch das Rückwärtsfahren den Körper des Kl. fahrlässig (§ 9 Abs. 5 StVO) verletzt hat. Aber die Haftung des Bekl. zu 1) ist – hinsichtlich aller Anspruchsgrundlagen (vgl. BGH r+s 2008, 261 = MDR 2008, 384) – nach den §§ 105 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII ausgeschlossen."
aa) Die §§ 105 Abs. 1 S. 1, 106 Abs. 3 SGB VII sind anwendbar, da sowohl der Kl. als auch der Bekl. zu 1) kraft Gesetzes unfallversichert sind. Der Kl. ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) SGB VII unfallversichert, da er Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens ist, und für sein Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist, was sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 1.8.2014 ersehen lässt. Der Bekl. zu 1) ist als Beschäftigter der Firma X unfallversichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.
bb) Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem versicherten Weg herbeigeführt haben. Vorsatz oder ein Wegeunfall liegen hier nicht vor. Zwar sind der Kl. und der Bekl. zu 1) nicht Versicherte desselben Betriebs. Aber nach § 106 Abs. 3 SGB VII gilt, wenn Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten, § 105 SGB VII auch für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kl. und der Bekl. zu 1) haben vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet.
Als betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte werden Aktivitäten erfasst, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Gemeint ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken (BGH r+s 2001, 26 = NJW 2001, 443). Eine “gemeinsame’ Betriebsstätte setzt mehr voraus als “dieselbe’ Betriebsstätte (BGH r+s 2001, 149 = NJW-RR 2001, 741). Bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der von einem Lkw Ware entladen will, und einem Schädiger, der mit einem anderen Lkw zum Anliefern von anderen Waren kommt, oder bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der als Käufer Ware abholen will, und einem Schädiger, der die Ware aus dem Lager holen und im Bereich der Ladezone ungefähr zwei Meter vom Transporter des Geschädigten entfernt bereitstellen will, liegt nur dieselbe Betriebsstätte vor (vgl. BGH r+s 2001, 149 = NJW-RR 2001, 741; BGH r+s 2011, 314 = NJW 2011, 3298). Hingegen ist eine gemeinsame Betriebsstätte bei einem Unfall zwischen einem Geschädigten, der seinen Lkw ...