" … Das LG ist bei dieser Abwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bekl. zu einer Quote von 25 % haften und der Kl. sich einen Mithaftungsanteil von 75 % anrechnen lassen muss. Dagegen ist aus Sicht des Senats nichts zu erinnern."
aa. Auf Seiten der Bekl. ist in der Tat lediglich die Betriebsgefahr des vom Bekl. zu 1) geführten Motorrades Honda zu berücksichtigen.
Ein die Betriebsgefahr erhöhendes unfallursächliches Verschulden des Bekl. zu 1) lässt sich dagegen – davon geht letztlich auch der Kl. selbst aus und stellt die diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht in Frage – mangels genauer Rekonstruierbarkeit des Herganges nicht feststellen. Dies gilt namentlich für einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO. Dass der Bekl. zu 1) in der Annäherungsphase zunächst auf der Fahrspur des Kl. gefahren ist, stellt lediglich eine vom Sachverständigen aufgezeigte theoretische Möglichkeit dar, welche der Kl., der selbst angibt, keine konkrete Erinnerung an das Unfallgeschehen zu haben, nicht etwa aus eigener Wahrnehmung und Erinnerung, sondern letztlich ins Blaue hinein behauptet hat. Ein schuldhafter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass der Bekl. zu 1) unmittelbar vor der Kollision ausweislich der Unfallspuren nicht ganz rechts, sondern etwa mittig auf seiner Fahrspur gefahren ist. Denn das Gebot, “möglichst weit rechts zu fahren’ bedeutet nicht, dass innerhalb der eigenen Fahrspur äußerst rechts gefahren werden muss; vielmehr besteht insoweit Spielraum und genügt ein angemessener Abstand zur Mittellinie, der hier ausweislich der Spurenlage zum Unfallzeitpunkt sicherlich bestand (vgl. dazu allgemein nur Hentschel/König, a.a.O., § 2 StVO, Rn 35 ff. und Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 27. Rn 60 f., jeweils m.w.N.).
bb. Auf Seiten des Kl. ist zunächst ebenfalls die Betriebsgefahr seines Motorrades zu berücksichtigen.
Ein diese Betriebsgefahr erhöhendes unfallursächliches Verschulden des Kl., das dieser letztlich zulässigerweise nur mit Nichtwissen hat bestreiten können und auch bestritten hat, ist auch aus Sicht des Senats anzunehmen.
Konkrete positive Feststellungen lassen sich ausweislich des überzeugenden und auch von keiner Seite in Zweifel gezogenen Sachverständigengutachtens insoweit allerdings nicht treffen, und zwar weder i.S. eines Geschwindigkeitsverstoßes noch i.S. eines vorwerfbaren Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot oder eines sonstigen Aufmerksamkeits- bzw. Reaktionsverschuldens; denn es besteht nach den Ausführungen des Sachverständigen die Möglichkeit, dass die klägerische Unfalldarstellung zutrifft, der Kl. also dadurch – nicht vorwerfbar – zu einem ihn letztlich auf die Gegenfahrbahn tragenden Bremsmanöver veranlasst worden ist, dass der Bekl. zu 1) seinerseits bei erstem Sichtkontakt auf der Fahrbahn des Kl. gefahren ist.
Der Senat ist aber mit dem LG der Auffassung, dass hier aufgrund des laut Sachverständigengutachtens feststehenden Kollisionsortes auf der Gegenfahrbahn (aus Sicht des Kl.) und auch der bereits über der gedachten Fahrbahnmitte liegenden vorkollisionären Spurzeichnung des klägerischen Krades der Anschein für einen vorwerfbaren Verkehrsverstoß des Kl. – konkret einen schuldhaften Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot – spricht und dieser Anschein auch nicht erschüttert ist.
Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt auch bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist. Es reicht allerdings allein das “Kerngeschehen’ als solches dann als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (vgl. dazu … BGHZ 192, 84 = r+s 2012, 96 Rn 7).
Hier ist eine Typizität im vorgenannten Sinne zu bejahen. Denn wenn – wie hier – ein Kradfahrer in einer Rechtskurve zu weit nach links getragen wird, bereits über und (zumindest ganz überwiegend) deutlich jenseits der gedachten Fahrbahnmitte eine Vollbremsung vollzieht und letztlich auf der Gegenfahrbahn mit einem seinerseits im Bereich der Mitte seiner Fahrspur fahrenden Krad kollidiert, lässt dies schon typi...