Insb. in der zweiten Hälfte des Berichtszeitraums 2017 kam es zu mehreren Insolvenzen europäischer Luftfahrtunternehmen. Beispielsweise stellte die Air Berlin am 15.8.2017 den Insolvenzantrag. Das AG Charlottenburg hat mit Beschluss vom 1.11.2017 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG in Eigenverwaltung eröffnet.
Mehr als 100.000 Tickets verfielen allein bei der Air Berlin auf der Langstrecke – Tickets, die von den betroffenen Fluggästen schon lange im Voraus in voller Höhe bezahlt werden mussten. Bereits die diesbezüglichen Forderungen bewegen sich also im mehrstelligen Millionenbereich.
Spannend dürfte im Insolvenzverfahren unter anderem die Beantwortung der Frage sein, wie "überraschend" Etihad Airways im August 2017 die finanzielle Unterstützung der Air Berlin eingestellt hatte. Abzuwarten bleibt dann, ob etwaige Ansprüche gegenüber Etihad Airways oder aber (im Falle einer verspäteten Insolvenzantragsstellung) gegenüber den ehemaligen Organen der Air Berlin persönlich geltend gemacht werden. Die Vorbereitung und der bisherige Ablauf der Insolvenz der Air Berlin sowie die Beteiligung Dritter hinterlassen insgesamt jedenfalls einen sehr schalen Nachgeschmack.
Die österreichische Niki Luftfahrt GmbH (Tochter der Air Berlin) meldete ebenfalls selbst Insolvenz an. Der Flugbetrieb wurde dort am 14.12.2017 eingestellt. Die britische Fluggesellschaft Monarch Airlines hatte bereits am 2.10.2017 Insolvenz angemeldet und den Flugbetrieb eingestellt.
Zur zukünftigen Vermeidung ähnlicher Schadensszenarien wird nun teilweise gefordert, eine obligatorische Insolvenzabsicherung (ähnlich wie im Pauschalreiserecht) auch für individuelle Flugbuchungen einzuführen.
Solange eine solche – letztlich zu höheren Flugpreisen führende – Pflichtversicherung aber nicht geschaffen ist, mag darüber nachgedacht werden, ob die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Vorauszahlungspflicht bei Flugbuchungen überhaupt aufrechtzuerhalten ist.
Der BGH hatte bekanntlich am 16.2.2016 entschieden, dass die Vereinbarung einer Verpflichtung des Fahr- oder Fluggastes, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, nicht wesentlichen Grundgedanken des Rechts des Personenbeförderungsvertrags widerspreche. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftverkehrsunternehmens, nach der der Flugpreis unabhängig vom Zeitpunkt der Buchung bei Vertragsschluss zur Zahlung fällig ist, stelle keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes dar. Weiter führte der BGH aus, dass – anders als im Reisevertragsrecht – bei Luftbeförderungsverträgen im Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung aufgrund der darin gewährten unabdingbaren Mindestrechte der Fluggäste ein unionsrechtlicher Mechanismus bestehe, der präventiv auf die Luftfahrtunternehmen einwirke und diese zur Einhaltung der Flugplanung und Erbringung der vertraglichen Beförderungsleistungen anhalte. Das vom Fluggast zu tragende Risiko der Insolvenz seines Vertragspartners sei nach Ansicht des BGH durch die unionsrechtlichen wie nationalen Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen, denen Luftfahrtunternehmen im Linienverkehr unterliegen, deutlich verringert.
Hierzu wurde bereits nach Verkündung der Entscheidungen kritisch angemerkt, dass der BGH jedenfalls das Risiko der Insolvenz von Luftfahrtunternehmen – auch nach der statistischen Erfahrung der Vorjahre – falsch einschätzt. Selbst wenn Luftfahrtunternehmen (auch in Drittstaaten) einer staatlichen Aufsicht unterliegen, so wird deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit allenfalls zeitversetzt bzw. nur in bestimmten Intervallen staatlich überwacht. Plötzliche existenzbedrohende Ereignisse bleiben so unter Umständen zunächst unbeachtet.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Insolvenzen – und der immensen Folgen für die betroffenen Kunden – ist wohl davon auszugehen, dass BGH seine Rechtsprechung vom 16.2.2016 aufgeben wird. Jedenfalls dürften die bisherigen Urteilsbegründungen so nicht mehr haltbar sein.
Autor: Rechtsanwalt Marc Flöthmann, Fachanwalt für Steuerrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Verkehrsrecht, Bielefeld
zfs 2/2018, S. 64 - 72