VVG § 19 Abs. 5
Leitsatz
1. Die Belehrung über die Folgen einer Verletzung der Obliegenheit zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände muss – drucktechnisch hervorgehoben – in unmittelbarer Nähe zu den Antragsfragen erfolgen.
2. Zum Inhalt der Belehrung über das Vertragsanpassungsrecht des VR gehört der Hinweis auf die Möglichkeit eines rückwirkenden Risikoausschlusses.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Dresden, Urt. v. 6.6.2017 – 4 U 1460/16
Sachverhalt
Die bis 2014 als Flugbegleiterin tätige Kl. begehrt die Feststellung, dass ihre seit dem 1.3.2010 bei der Bekl. gehaltene Berufsunfähigkeitsversicherung fortbesteht und nicht durch Anfechtung, Rücktritt oder Vertragsanpassung beendet wurde. Einen Antrag auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsversicherung vom 30.4.2014 lehnte die Bekl. unter Rücktritt vom und Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen ab.
2 Aus den Gründen:
" … Im Anschluss an die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat die Bekl. weder einen Anfechtungs- noch einen Rücktrittsgrund bewiesen."
Von einem arglistigen Verschweigen gefahrerheblicher Umstände i.S.d. § 22 VVG i.V.m. §§ 123, 142 BGB ist nicht auszugehen. Voraussetzung für das Vorliegen von Falschangaben ist, dass der VN gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem VR wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass der VR sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann. (…) Der künftige VN hat die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grds. erschöpfend zu beantworten. (…) Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Doch findet diese weitgefasste Pflicht zur Offenbarung ihre Grenze bei Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen. (…) Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen. (…) Abzustellen ist auf das Gesamtbild, das die Erkrankungen über den Gesundheitszustand des VN vermittelt.
Das LG hat zutreffend angenommen, dass die Kl. die ihr gestellten Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet hat, indem sie sowohl die Behandlungen wegen akuter Lumbalgie und Verspannungen in Zeitraum 30.5. – 26.7.2005 als auch das wenige Monate vor Vertragsschluss aufgetretene Schulter-Nacken-Syndrom nicht angegeben hat. Gleiches gilt auch für die Ameisen- und Bienenstichallergie. Zwar war diese von den Gesundheitsfragen nicht abgedeckt, insb. handelt es sich hierbei nicht um eine Erkrankung der Atmungsorgane, sondern um eine Erkrankung des Immunsystems, auf die sich die Antragsfragen indes nicht bezogen. In der Zusatzerklärung 2, die die Kl. ebenfalls ausgefüllt hat, wird jedoch abweichend hiervon ausdrücklich auch nach Allergien gefragt. Diese Frage hat die Kl. verneint.
Nach der Zielrichtung der Gesundheitsfragen und dem Inhalt des Antragsformulars ist aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen VN auch unzweifelhaft zu erkennen, dass es sich bei den Gesundheitsfragen nicht um Fragen des Mitarbeiters J ihrer Versicherungsmaklerin, sondern um Fragen des VR gehandelt hat. Bereits aus der ersten Seite des Antragsformulars ergibt sich, dass ein Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Bekl. gestellt wird. Die von der Kl. unterzeichnete Empfangsbestätigung weist ebenfalls auf die Bekl. hin. Die Gesundheitsfragen dienen für den VN ersichtlich zur Prüfung des Antrags. Ein eigenes Interesse des Versicherungsmaklers an der Beantwortung der Gesundheitsfragen ist regelmäßig nicht gegeben. (…) Dem steht die Entscheidung des OLG Hamm (NJOZ 2011, 993) nicht entgegen, denn in dem dort zu entscheidenden Fall hatte der Versicherungsmakler nicht nur den Fragenkatalog ausgearbeitet, sondern war mit der Vermittlung und Verwaltung von Versicherungsverträgen und mit der Interessenwahrnehmung des VN betraut. Dies ist hier aber nicht der Fall.
Im Anschluss an die vom Senat vorgenommene Beweisaufnahme ist jedoch nicht von einem arglistigen Verschweigen auszugehen. Einen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhaltes, dass die bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen a) nach dem Gesundheitszustand oder vorherigen Behandlungen immer oder nur in der Absicht geschieht, auf den Willen des VR Einfluss zu nehmen, gibt es nicht. (…) Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Die beklagte Versicherung muss daher nachweisen, dass die Kl. mit den falschen Erklärungen auf den Willen der Bekl. einwirken wollte. Da es sich bei dem Bewusstsein des VN um eine innere Tats...