StPO § 261 § 267 Abs. 1 S. 3
Leitsatz
1. Eine "Behörde" stellt als solche kein geeignetes Beweismittel i.S.d. Strafprozess- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts dar.
2. In der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium als solches liegt keine wirksame Bezugnahme i.S.v. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO vor. Denn bei einer in die Akte eingehefteten CD-ROM handelt es sich um keine Abbildungen, die unmittelbar durch den Gesichts- oder Tastsinn wahrgenommen werden können.
(Leitsätze des Einsenders)
Thüringer OLG, Beschl. v. 5.1.2012 – 1 Ss Bs 112/11
Sachverhalt
Das AG verurteilte den Betroffenen, einen Transportunternehmer, wegen fahrlässigen Verstoßes gegen Sozialvorschriften im gewerblichen Güterverkehr, namentlich gegen die Pflicht, eine Bescheinigung für arbeitsfreie Tage den Fahrern auszuhändigen, in acht Fällen zu einer Geldbuße von 500 EUR, gegen die Pflicht, für eine ordnungsgemäße Benutzung des Kontrollgerätes zu sorgen, in zwei Fällen zu einer Geldbuße von 400 EUR und gegen die Pflicht, für die Einhaltung der Vorschriften der EGVO 561/2006 zu sorgen, zu einer Geldbuße von 2.000 EUR.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG das Urt. des AG mit den getroffenen Feststellungen auf und verweist die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung an das AG zurück.
2 Aus den Gründen:
"… II. …. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben, weil die im Urt. dargestellte Beweiswürdigung die der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen nicht trägt."
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme v. 28.12.2011 dazu ausgeführt:
“Auch im Bußgeldverfahren muss die Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung – insb. im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze – ermöglicht. Das Urt. muss deshalb in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugungen gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob das Gericht dieser Einlassung des Betroffenen – und warum – folgt oder ob und inwieweit es seine Einlassung für widerlegt ansieht (Seitz in Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz-Kommentar, 15. Aufl., § 71 Rn 43).
Dabei unterliegt die Beweiswürdigung des Tatrichters einer nur eingeschränkten Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht darf die Beweiswürdigung nur auf rechtliche Fehler prüfen, sie aber nicht durch seine eigene ersetzen. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insb., wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rn 26 f.).
Gemessen an diesen Anforderungen sind die Feststellungen im angefochtenen Urt. zur Beweiswürdigung lückenhaft. Hierzu im Einzelnen:
1. Der Beschwerdeführer wurde zunächst wegen einer Ordnungswidrigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1a FPersG i.V.m. §§ 21 Abs. 1 Nr. 10, 20 Abs. 2 FPersV verurteilt, weil in den im Urt. unter 1.1 bis 1.8 geschilderten Zeiträumen für die Fahrer …. keine ordnungsgemäß ausgefüllte Bescheinigung vorgelegt wurde über arbeitsfreie Tage bzw. andere Tätigkeiten am Arbeitsplatz oder Tage, an denen keine Fahrzeuge oder nur solche Fahrzeuge gelenkt wurden, für deren Führen eine Nachweispflicht nicht besteht. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 10 FPersV handelt ordnungswidrig i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1a FPersG, wer als Unternehmer vorsätzlich oder fährlässig die dort genannte Bescheinigung nicht vorlegt.
Im Hinblick auf die Beweiswürdigung führt das Urt. aus, dass die festgestellten Verstöße zur Überzeugung des Gerichts hinsichtlich des Tatvorwurfs zu 1. aufgrund der glaubhaften Angaben der Behörde feststünden. Darüber hinaus habe auch der Betroffene sämtliche ihm vorgeworfenen Verstöße nicht in Abrede gestellt.
Diesen Wendungen lässt sich nicht entnehmen, wie das AG zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Betroffene in seiner Eigenschaft als Speditionsunternehmer die in § 20 Abs. 2 FPersV geforderte Bescheinigung zu den unter 1.1 bis 1.8 genannten Zeiträumen für die jeweiligen Fahrer nicht ausgestellt hat.
Eine “Behörde' stellt als solche kein geeignetes Beweismittel i.S.d. Strafprozess- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts dar. Ob das AG einen Vertreter des Landesbetriebs für Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen oder bestimmte von dieser Behörde während des Bußgeldverfahrens gefertigte Dokumente oder Aufzeichnungen im Wege des Urkunds- oder Augenscheinsbeweises in die Hauptverhandlung eingeführt hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Darüber hinaus geht aus den Urteilsgründen nicht hervor, welche behördlichen Angaben im Einzelnen das AG seinem Urt. zugrunde gelegt hat. Derartige Angaben sind vorliegend auch nicht entbehrlich, da die Urteilsgründe weiter nicht erkennen lassen, ob der Betroffene die ihm zur Last gelegten Vorwürfe eingeräumt hat. Die Urteilsgründe führen insoweit aus, dass die Verstöße vom Betroffenen auch nicht in Abrede gestellt werden. Ein glaubhaftes Geständnis des Betroffenen...