BGB § 932
Leitsatz
1. Das Eigentum an dem Fahrzeugbrief steht dem Eigentümer des Kfz zu (§ 952 BGB).
2. Ein gutgläubiger Erwerb eines Kfz ist bei einer Veräußerung von Privat an Privat dann wegen grob fahrlässiger Unkenntnis des fehlenden Eigentums des Veräußerers ausgeschlossen, wenn sich der Käufer und Erwerber beim Verkauf nicht den Fahrzeugbrief zeigen lässt, in dem der Veräußerer als Eigentümer eingetragen ist.
3. Grobe Fahrlässigkeit des Erwerbers eines Gebrauchtfahrzeuges ist dann anzunehmen, wenn er trotz Vorliegens von Verdachtsgründen, die Zweifel an der Berechtigung des Veräußeres wecken müssen, sachdienliche Nachforschungen nicht unternimmt.
4. Bei Veräußerung von Gebrauchtfahrzeugen von Privat an Privat begründen Fälschungen des vorgezeigten angeblichen Fahrzeugbriefes nur dann eine erweiterte Nachforschungspflicht des Erwerbers, wenn diese für den auf diesem Gebiet im Allgemeinen unerfahrenen Käufer auf den ersten Blick erkennbar sind.
5. Findet der Verkauf des Fahrzeuges im Privatgeschäft nicht in der Wohnung des Veräußerers, sondern wegen Fehlens freien Parkraums auf einem Tankstellengelände statt, begründet dies keinen Anlass für eine erweiterte Nachforschungspflicht des Erwerbers, da ein sachlicher Grund für die Durchführung der Verhandlung auf dem Gelände der Tankstelle spricht.
6. Ein den üblichen Preis unterschreitender Verkaufspreis des Gebrauchtfahrzeuges stellt keinen verdächtigen, eine weitergehende Nachforschungspflicht begründenden Umstand dar, wenn der Veräußerer plausibel für die Unterschreitung des üblichen Preises durch den schließlich geforderten Verkaufspreis einen Notbedarf wegen bevorstehender Scheidung anführt und darüber hinaus dies dem Verhandlungsgeschick des Käufers zuzuschreiben ist.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Braunschweig, Urt. v. 1.9.2011 – 8 U 170/10
Sachverhalt
Die Kl. macht die Verurteilung der Bekl. zur Herausgabe der Original-Zulassungsbescheinigung Teil II zu einem Pkw, der sich derzeit im Besitz des Sequesters befindet, geltend. Die Bekl. fordert im Wege der Widerklage die Verurteilung des Kl. zu einer Freigabe des Fahrzeuges zu ihren Gunsten. Der Kl. hatte nach Verhandlungen mit dem Leasingnehmer der Bekl., der sich unter Vorweisung eines gefälschten Kfz-Briefes als Eigentümer des Kfz ausgab, auf einem Tankstellengelände nach Verhandlungen, in deren Verlauf der Veräußerer gegenüber seinen ursprünglichen Preisvorstellungen einem Nachlass von mehr als 20 % unter Hinweis auf seinen Geldbedarf wegen bevorstehender Scheidung zustimmte, den Pkw veräußert. Die beklagte Leasinggeberin sah in den Umständen des Veräußerungsvorgangs Umstände, die eine weitergehende Nachforschungspflicht des Kl. begründeten, deren Nichtvornahme eine grobe Fahrlässigkeit des Kl. begründeten, die einen gutgläubigen Erwerb des Kfz ausschlössen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und den Kl. auf die Widerklage verurteilt, gegenüber dem Sequester die Zustimmung zur Herausgabe des Fahrzeuges zugunsten der Bekl. zu erteilen.
Die Berufung des Kl. hatte Erfolg und führte zur Verurteilung der Bekl. zur Herausgabe der Original-Zulassungsbescheinigung Teil II zu dem dem Kl. verkauften Gebrauchtfahrzeug und zur Abweisung der Widerklage.
2 Aus den Gründen:
"Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II (Kfz-Brief) gem. § 985 BGB zu. Als Eigentümer des streitgegenständlichen Kfz ist er auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II. Nach § 952 Abs. 2 BGB analog bemisst sich das Eigentum am Fahrzeugbrief danach, wer Eigentümer des jeweils zugehörigen Fahrzeugs ist (BGH, NJW 2007, 2844)."
Zwar scheitert ein Eigentumserwerb des Pkw nach § 929 S. 1 BGB daran, dass der Veräußerer Nichtberechtigter war, da er das Fahrzeug lediglich von der Bekl. geleast hatte.
Der Kl. hat aber das Eigentum an dem Fahrzeug gem. §§ 929 S. 1, 932 BGB gutgläubig erworben.
Gem. § 932 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn das Fahrzeug dem Veräußerer nicht gehört, es sei denn, dass er im Zeitpunkt der Übergabe nicht in gutem Glauben gewesen ist. Nach § 932 Abs. 2 BGB schließen nur positive Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußerers die Redlichkeit des Erwerbers aus. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Bekl. hat nicht nachzuweisen vermocht, dass dem Kl. bei dem Erwerb grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Eigentümerstellung des Veräußerers zur Last zu legen ist. Unter grober Fahrlässigkeit ist ein Handeln zu verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müsse (st. Rspr. BGH, NJW 2005, 1365). Beim Erwerb eines gebrauchten Kfz besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht. Die Übergabe und Prüfung des Kfz-Briefes bzw. der Zulassungsbescheinigung Teil II sind aber die Mindestanforderungen für einen gutgläubigen Erwerb von Kfz (BGH NJW 2006, 3438; NJW 1996, 2226; NJW 1976, 735). V...