"[1] Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 Abs. 2 sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates v. 29.7.1991 über den Führerschein (ABl L 237, S. 1) in der durch die Richtlinie 2000/56/EG der Kommission v. 14.9.2000 (ABl L 237, S. 45) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439)."
[2] Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Köppl, der deutscher Staatsangehöriger und im Besitz eines in der Tschechischen Republik ausgestellten Führerscheins ist, und dem Freistaat Bayern über die Weigerung der deutschen Behörden, die Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C anzuerkennen, die Herrn Köppel in der Tschechischen Republik erteilt worden sind.
Rechtlicher Rahmen …
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
[14] Herr Köppl erwarb 1982 erstmals eine deutsche Fahrerlaubnis.
[15] Zwischen 1988 und 1997 wurde Herr Köppl in Deutschland mehrfach wegen Trunkenheit im Verkehr und unerlaubten Entfernens vom Unfallort unter Entziehung der Fahrerlaubnis zu Geldstrafen verurteilt.
[16] Am 3.5.1999 erwarb Herr Köppl in Deutschland eine Fahrerlaubnis. Diese Fahrerlaubnis wurde ihm in diesem Staat in der Folge entzogen, weil er sich am 14.6.2002 einer Straftat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen schuldig gemacht hatte. Er wurde außerdem zu einer Geldstrafe verurteilt.
[17] Im Rahmen eines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis in Deutschland gelangte ein am 2.8.2004 erstelltes medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten zu dem Ergebnis, es sei zu erwarten, dass Herr Köppl ein Kfz unter Alkoholeinfluss führen werde. Aus diesem Gutachten ergab sich ferner, dass Herr Köppl aufgrund der im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangenen Straftaten die Anforderungen an das Führen von Fahrzeugen der Gruppe 2 (d.h. gem. Anhang III der Richtlinie 91/439 von Fahrzeugen der Klassen C, C + E, D, D + E und der Unterklassen C1, C1 + E, D1 und D1 + E) zum damaligen Zeitpunkt nicht erfüllt habe. Sein Antrag wurde daher abgelehnt.
[18] Am 28.10.2004 erwarb Herr Köppl in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klassen A und B. Die tschechischen Behörden stellten ihm am 29.10.2004 einen entsprechenden Führerschein aus (im Folgenden: tschechischer Führerschein v. 29.10.2004). In diesem Führerschein ist ein in Deutschland gelegener Wohnort eingetragen.
[19] Am 30.10.2008 wurde Herrn Köppl in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C erteilt. In dem Herrn Köppl am selben Tag ausgestellten entsprechenden neuen tschechischen Führerschein (im Folgenden: tschechischer Führerschein v. 30.10.2008) sind ein in Tschechien gelegener Wohnort und das Datum der Erteilung einer Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B, der 28.10.2004, eingetragen.
[20] Herr Köppl leitete vor dem BayVG Regensburg ein Verfahren gegen den Freistaat Bayern ein, mit dem er die Anerkennung seiner Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C durch die deutschen Behörden erwirken wollte.
[21] Mit Entscheidung v. 26.10.2009 gab dieses Gericht seiner Klage statt; es war der Ansicht, dass der Freistaat Bayern verpflichtet sei, Herrn Köppl das Recht zuzuerkennen, in Deutschland von den in seinem tschechischen Führerschein v. 30.10.2008 verzeichneten Fahrerlaubnissen für Fahrzeuge der Klassen B und C Gebrauch zu machen.
[22] Um die Aufhebung dieses Urt. zu erreichen, legte der Freistaat Bayern beim BayVGH Berufung ein. Herr Köppl machte vor diesem Gericht geltend, dass die ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnisse für Fahrzeuge der Klassen B und C in Deutschland gültig seien.
[23] Das vorlegende Gericht hat insb. Zweifel hinsichtlich der Frage, ob die Befugnis der deutschen Behörden, die Fahrerlaubnis von Herrn Köppl für Fahrzeuge der Klasse B aufgrund der Angabe eines in Deutschland gelegenen Wohnorts im tschechischen Führerschein v. 29.10.2004 nicht anzuerkennen, entfallen ist, seit Herr Köppl eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse C hinzuerworben hat.
[24] Unter diesen Umständen hat der BayVGH beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 – zumal im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – so auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat (dem "Aufnahmemitgliedstaat") gestatten, eine Fahrerlaubnis der Klasse B nicht anzuerkennen, die ein anderer Mitgliedstaat (der "Ausstellermitgliedstaat") unter aus dem Führerschein selbst ersichtlichem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439 einer Person erteilt hat, gegenüber der der Aufnahmemitgliedstaat früher Maßnahmen i.S.v. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 ergriffen hat, wenn diese Person später im Ausstellermitgliedstaat eine Fahrerlaubnis der Klasse C ohne aus de...