Die Entscheidung überrascht nur auf den ersten Blick: Tatsächlich kann ein Autohändler als VN eine Teilkaskoentschädigung verlangen, wenn ein Kunde das ihm zur Probefahrt überlassene Kfz zwar (nachweislich) zurückgebracht, es danach aber (möglicherweise) mit dem nicht zurückgebrachten Kfz-Schlüssel wieder an sich genommen und beiseite geschafft hat.
Das beruht zunächst auf der Anwendung der Klausel A.2.2.2. AKB 2008. Der dort verwendete Begriff des Diebstahls ist strafrechtlich zu verstehen. Strafrechtlich genügt der Bruch von Mitgewahrsam. Mitgewahrsam hat ein Autohändler aufgrund seiner tatsächlichen Sachherrschaft und seines Beherrschungswillens in Bezug auf das Kfz aber ungeachtet des Verbleibs des Kfz-Schlüssels bei dem Kunden in jedem Fall dann, wenn das Kfz auf seinem (auch unabgeschlossenen) Betriebsgelände steht. Damit war der Versicherungsfall eingetreten.
Die Leistungspflicht des VR entfiel auch nicht aus anderen Gründen. Die Voraussetzungen des Risikoausschlusses des § 81 VVG fehlen (abgesehen davon, dass der VR dann die Entwendung durch den Kunden beweisen müsste) schon deshalb, weil die bloß vorübergehende Übertragung der vollständigen Obhut über das Kfz auf den Kunden diesen nicht zum Repräsentanten machte und im Übrigen mit der "Rückgabe" auch wieder entfallen war. Die Überlassung des Kfz an den (unzuverlässigen) Kunden stellt allenfalls eine mitversicherte (§ 27 VVG) Gefahrerhöhung dar. Obliegenheiten (des VN) sind nicht verletzt.
Liegt ein Diebstahl vor, kommt es auf den Versicherungsfall Unterschlagung nicht mehr an. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung in ihrem obiter dictum von Interesse. Auch der Begriff der Unterschlagung ist strafrechtlich zu verstehen und erfasst jede rechtswidrige Zueignung. Versicherungsvertraglich besteht allerdings nach A.2.2.2 ein Ausschluss: Weist der VR nach, dass das versicherte Kfz einem Dritten "zum Gebrauch im eigenen Interesse" überlassen worden ist, fehlt die Deckung. Weil mit dieser Einschränkung dem erhöhten Risiko begegnet werden soll, dass sich Personen, deren Gebaren keinerlei Kontrolle des VN mehr unterliegt, des Kfz bemächtigen, greift der Ausschluss nur ein, wenn einem Dritten eine selbstständige, von jener des VN gelöste Verfügungsmacht eingeräumt wird (OLG Saarbrücken zfs 2010, 154; OLG Düsseldorf zfs 1999, 297): Kurzfristige Probefahrten fallen ebensowenig darunter wie die dienstliche Benutzung durch Mitarbeiter, das Verleihen über das Wochenende schon.
Weil die konkreten SBKfzHH – anders als die üblicherweise verwendeten (II Nr. 1 b SBKfzHH) – offenbar keine Komplettverweisung auf die AKB 2008 enthielten und ihnen daher dieser Risikoausschluss fehlte, nimmt die abgedruckte Entscheidung hilfsweise auch den Versicherungsfall Unterschlagung an. Ob allerdings einem Kunden ein Kfz auch dann noch "zum Gebrauch" überlassen ist, wenn er es unter Zurückbehaltung des Kfz-Schlüssels wieder auf dem Hof des Händlers abgestellt hat, darf bezweifelt werden, ist aber, weil ein Diebstahl vorliegt, unerheblich.
PräsOLG Prof. Dr. Roland Rixecker
zfs 3/2014, S. 154 - 156