AKB 2008 A 2.2.2; SBKfzHH A.2 Nr. 1
Leitsatz
1. Ein Kraftfahrzeughändler erlangt durch das vereinbarungsgemäße Wiederabstellen des einem Kaufinteressenten zu einer Probefahrt überlassenen Kfz auf dem Betriebsgelände erneut unabhängig von der Rückgabe der Kraftfahrzeugschlüssel Gewahrsam.
2. Regeln Sonderbedingungen als Versicherungsfall uneingeschränkt die Unterschlagung des Kfz, so kann die Verweisung auf eine eingeschränkte Deckung nach den AKB intransparent sein.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Naumburg, Urt. v. 11.7.2013 – 4 U 5/13
Sachverhalt
Die Kl. begehrt eine Entschädigung wegen des Diebstahls eines von ihr einem Kaufinteressenten zu einer Probefahrt überlassenen Kfz, für das sie eine Teilkaskoversicherung auf der Grundlage der AKB und der SBKfzHH unterhielt. Es war vereinbart, dass der Kunde G das ihm am 18.2.2011 überlassene Kfz am 20.2.2011, einem Sonntag, auf dem frei zugänglichen Betriebsgelände der Kl. wieder abstellte und die ihm überlassenen Kfz-Papiere und -Schlüssel in einen an der Wand des Betriebsgebäudes angebrachten Sicherheitsbriefkasten einwerfen sollte. Am 21.2.2011 stellte die Kl. fest, dass das Kfz nicht auf dem Betriebsgelände stand und sich in dem unversehrten Briefkasten auch keine Schlüssel und Papiere fanden. Ein Mitarbeiter eines Wach- und Sicherheitsdienstes hatte den Pkw bei zwei Kontrollgängen in der Nacht vom 20.2. auf den 21.2.2011 auf dem Betriebsgelände abgestellt gesehen.
2 Aus den Gründen:
" … Entgegen der Ansicht des LG in dem angefochtenen Urt. ist auf der Grundlage des Beweisergebnisses bei zutreffender rechtlicher Würdigung von keiner Unterschlagung, sondern von einem von der Teilkaskoversicherung umfassten Diebstahl auszugehen (1). Ob hingegen eine Einstandspflicht der Bekl. auch für den Fall einer Unterschlagung in Betracht gekommen wäre, kann deshalb dahinstehen (2). …"
1. Der Diebstahlsbegriff in der Teilkaskoversicherung wie auch die übrigen in den Allgemeinen wie Besonderen Vertragsbedingungen genannten Beispielfälle der Entwendung richten sich nach deren rein strafrechtlicher Definition (vgl. etwa Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, AKB 2008, A.2.2, Rn 6 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall könnte allein die Wegnahme i.S.d. § 242 Abs. 1 StGB Bedenken aufwerfen, die jedoch, ebenso wie die übrigen unproblematisch erfüllten Merkmale des Diebstahlstatbestands, bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu bejahen ist.
Unter Wegnahme wird der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams verstanden. Gewahrsam bedeutet ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache, das von einem Herrschaftswillen getragen wird, wobei sich die Beurteilung dieser Elemente nach der natürlichen Auffassung des täglichen Lebens richtet.
Das LG ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Zeuge G das Fahrzeug nach der Probefahrt vereinbarungsgemäß am Sonntagnachmittag gegen 16:00 Uhr auf dem Betriebsgelände abstellte, wo es gegen 20:00 Uhr und ein weiteres Mal gegen 2:45 Uhr vom Sicherheitsbeamten Gt bei seinem Kontrollgang ordnungsgemäß verschlossen festgestellt worden sei. Demgegenüber, so das LG, stände aufgrund der Angaben der Zeugen G und M nicht sicher fest, dass die Schlüssel und Fahrzeugpapiere wie abgesprochen in den Sicherheitsbriefkasten der Kl. eingeworfen worden seien. … (wird ausgeführt).
Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Ansicht des LG, die Kl. habe aufgrund der Übergabe des Fahrzeugs an den Zeugen G ihren Gewahrsam hieran verloren, da angesichts der zweitägigen Probefahrt nicht mehr von einer bloßen Gewahrsamslockerung ausgegangen werden könne. Der Zeuge G durfte das Fahrzeug nämlich völlig frei ohne Kilometerbeschränkung oder sonstige Vorgaben über einen längeren Zeitraum von zwei Tagen nutzen und war deshalb während dieser Zeit Alleingewahrsamsinhaber.
Unzutreffend ist hingegen die Ansicht des LG, die Kl. habe aufgrund des Abstellens des Fahrzeugs auf ihrem Betriebsgelände am Sonntagnachmittag keinen Gewahrsam an dem Pkw wieder erlangen können. Das LG hat zur Begründung hierfür ausgeführt, eine Gewahrsamswiedererlangung sei deshalb ausgeschlossen, weil der Betrieb am Sonntagnachmittag nicht besetzt gewesen sei und die Kl. folglich keine tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug habe ausüben können. Selbst wenn man dies im Hinblick auf einen möglichen, bei der Kl. verbliebenen Zweitschlüssel anders sehe wolle, habe diese dennoch keinen für einen anschließenden Diebstahl erforderlichen Alleingewahrsam begründen können, da der Zeuge G weiterhin über den von ihm nicht abgegebenen Schlüssel verfügt habe.
Diese Ausführungen des LG zu einem erforderlichen Alleingewahrsam sind, wie die Berufung zu Recht beanstandet, nicht haltbar. Ein Alleingewahrsam ist für den Bruch fremden Gewahrsams im Rahmen des Wegnahmebegriffs nämlich gerade nicht erforderlich. Vielmehr genügt für die Tatbestandsverwirklichung eines Diebstahls der Bruch jeden fremden Gewahrsams und damit auch der eines bloßen Mitgewahrsams.
Ungeachtet dessen spricht hier allerdings auch...