SGB VII § 105 Abs. 1 S. 1 § 2 Abs. 2
Leitsatz
1. Wird die Vorführende bei der Präsentation eines Kfz zur Abnahme der Hauptuntersuchung von dem Prüfingenieur aufgefordert, die Lichter ein- und auszuschalten und wird hierbei der Prüfingenieur durch das sich nach vorne bewegende Kfz verletzt, wird die Vorführende als Quasi-Mitarbeiterin gem. § 2 Abs. 2 SGB VII tätig, der die Haftungsprivilegierung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zu Gute kommt.
2. Eine Eintrittspflicht der Kfz-Haftpflichtversicherung für das Fehlverhalten der Vorführenden, das zum Schaden des Prüfingenieurs geführt hat, ist für die Eintrittspflicht der Unfallversicherung ohne Bedeutung.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Stuttgart, Urt. v. 13.11.2013 – 3 U 110/13
Sachverhalt
Die Zeugin R fuhr mit dem Kfz ihres Großvaters beim TÜV vor, um die Hauptuntersuchung vornehmen zu lassen. Im Rahmen der Lichtprüfung, die der Kl. als Prüfingenieur vorzunehmen hatte, bat der Kl. die im Fahrzeug sitzende Zeugin, die Lichter ein- und auszuschalten. Nachdem der Kl. die Zeugin aufgefordert hatte, das Abblendlicht einzuschalten, ließ die Zeugin das Fahrzeug unter Aktivierung der Zündung an. Das Fahrzeug machte einen Satz nach vorne, weil die Zeugin entweder keine Kupplung trat oder von dieser abrutschte. Sie erfasste den vor dem Fahrzeug stehenden Kl., der erheblich verletzt wurde. Die Klage gegen die Haftpflichtversicherung des Halters des Kfz auf Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld wurde wegen Eingreifens des Haftungsprivilegs des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von dem LG abgewiesen. Das BG billigte die Klageabweisung.
2 Aus den Gründen:
"1. … Unstreitig sollte die Zeugin R auf Anweisung des Kl. im Rahmen der Kfz-Hauptuntersuchung das Abblendlicht des ihrem Großvater gehörenden Fahrzeugs, welches bei der Bekl. haftpflichtversichert ist, einschalten. Dabei kam es zu einer Bewegung des Fahrzeugs, die zu einer Verletzung des Kl. am Unterschenkel führte."
2. Entgegen der Auffassung des Kl. wurde die Zeugin R bei Anschalten des Abblendlichts auf Weisung des Kl. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wie ein Mitarbeiter des TÜVs und damit des Arbeitgebers des Kl. tätig.
a) Mit dem Anschalten des Abblendlichts handelte die Zeugin R ausschließlich im fremden betrieblichen Tätigkeitskreis des TÜVs und nicht im eigenen (Betriebs-)Interesse, weil die Prüfung des Abblendlichts Bestandteil der Kfz-Hauptuntersuchung ist und die Kfz-Hauptuntersuchung die alleinige Aufgabe des TÜVs aufgrund des Vertrags mit der Zeugin R oder ihrem Großvater, dem Halter des streitgegenständlichen Fahrzeugs, darstellt.
Entscheidend für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit und das Eingreifen des Haftungsausschlusses i.S.d. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der Unfall ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im Betriebsinteresse erbracht wurde. Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann zugeordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde. Für die .unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit kommt es darauf an, ob ihr Aufgaben des fremden oder solche des eigenen Unternehmens das Gepräge gegeben haben. Auch unter der Geltung des § 105 Abs. 1 SGB VII ist dabei davon auszugehen, dass derjenige, der Aufgaben wahrnimmt, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unternehmens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig wird. Erst wenn die Tätigkeit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewertet werden kann, kann sie dem fremden Unternehmen zugerechnet werden (BGH MDR 2013, 841, juris-Rn 13; MDR 2004, 878, juris-Rn 10 f., OLG Stuttgart VersR 2004, 68, juris-Rn 29).
Mit dem Einschalten des Abblendlichts auf Weisung des Kl. wurde die Zeugin Rahmen der Kfz-Hauptuntersuchung des Fahrzeugs ihres Großvaters tätig. Durch die Auftragserteilung wurde die Kfz-Hauptuntersuchung dem TÜV als Arbeitgeber des Kl. übertragen. Dabei kann es dahinstehen bleiben, ob der Großvater der Zeugin R oder die Zeugin R selbst Auftraggeber war. Entscheidend ist vielmehr, dass der TÜV alleiniger Auftragnehmer war und nach diesem Vertrag der Auftraggeber, also der Großvater der Zeugin R oder diese selbst, keine Mitwirkungspflichten hatte. Davon ist hier mangels anderer Anhaltspunkte gemäß dem Regelfall der Kfz-Hauptuntersuchung durch das beauftragte Prüfungsunternehmen auszugehen.
Zwar hatte sowohl die Zeugin R als Nutzerin des Fahrzeugs als auch ihr Großvater als Halter ein Interesse daran, dass die Kfz-Hauptuntersuchung durchgeführt würde. Dieses Interesse beschränkt sich jedoch auf die Nutzbarkeit des Fahrzeugs. Die Kfz-Hauptuntersuchung selbst sollte nach dem Auftrag alleine der TÜV und damit der Arbeitgeber des Kl. durchführen.
b) Entgegen ...