BBUZ § 2 Nr. 1 Nr. 4
Leitsatz
1. Ein leidensbedingter Berufswechsel liegt nicht vor, wenn sich eine nicht ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen erfolgte Veränderung der beruflichen Tätigkeit über Jahre hinweg in fachlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht verfestigt hat.
2. Eine wechselnde Erwerbsbiografie erlaubt eine größere Bandbreite von Verweisungstätigkeiten.
3. Die Verwendung eines Stehpults zur Abmilderung orthopädischer Beeinträchtigungen ist zumutbar.
4. Werden erstinstanzlich nur orthopädische und psychische Beeinträchtigungen zur Rechtfertigung eines Rentenanspruchs genannt, so stellt das zweitinstanzliche Vorbringen kardiologischer Leiden die Geltendmachung eines neuen Versicherungsfalls dar.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.11.2013 – 5 U 359/12
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl. auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch. Sie arbeitete von 1970 bis 1990 als Bauzeichnerin, Lagerarbeiterin, Kellnerin und Sachbearbeiterin, ab 1991 als Kellnerin auf 400 EUR Basis, und von 2000 bis 2009 nach dem Auftreten erster Rückenprobleme als Aushilfe in dem Konstruktionsbüro ihres Ehemanns, wo sie Hilfstätigkeiten im Bürobereich, die Reinigung und kleinere Botengänge mit 15 Arbeitsstunden je Woche gleichfalls auf 400 EUR Basis ausführte. Sie will 2009 nach erheblichen Wirbelsäulenbeschwerden, die zu Versteifungsoperationen geführt hatten, berufsunfähig im Beruf als Kellnerin geworden sein.
2 Aus den Gründen:
" … 1. Die Kl. hat den Nachweis einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nicht geführt."
1. Grundlage eines Anspruchs der Kl. kann § 2 Nr. 4 BBUZ von vornherein nicht sein.
Danach kann eine versicherte Person, die “aus dem Berufsleben ausgeschieden’ ist, Leistungen aus dem Vertrag beanspruchen, wenn sie außerstande ist, eine Tätigkeit auszuüben, die sie aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Die Regelung setzt voraus, dass die versicherte Person – i.d.R. bewusst und gewollt (hierzu Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2011, § 2 BUZ 2008, Rn 163) – ihre berufliche Tätigkeit abgebrochen hat und seither eine derart lange Zeit verstrichen ist, dass jede Verbindung zu ihr abgeschnitten erscheint, so dass an die dort erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr angeknüpft werden kann (VersHdb/Rixecker, 2. Aufl. 2009, § 46 Rn 38 … ). Eine typischerweise ungewollt eingetretene Arbeitsunfähigkeit ist noch kein Ausscheiden aus dem Berufsleben i.S.d. § 2 Nr. 4 BBUZ (siehe BGH VersR 1987, 753). Die Kl., die nach eigenem Vorbringen bis Ende 2007 tatsächlich gearbeitet hat, im Folgejahr operiert wurde und seit Mitte 2009 Leistungen wegen Berufsunfähigkeit geltend macht, hat ihre berufliche Tätigkeit gerade nicht aufgegeben, weil sie nicht mehr berufstätig sein wollte, sondern weil sie – nach ihrer Auffassung – nicht mehr berufstätig sein konnte. Das erfüllt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 BBUZ nicht.
2. Die Kl. hat auch nicht bewiesen, voraussichtlich dauernd (§ 2 Nr. 1, 2 BBUZ) – oder jedenfalls mehr als sechs Monate ununterbrochen (§ 2 Nr. 3 BBUZ) – außer Stande gewesen zu sein, den von ihr zuletzt ausgeübten Beruf als Bürohilfskraft im Unternehmen ihres Ehemanns infolge Krankheit (oder eine andere ihrer Ausbildung, Erfahrung und bisheriger Lebensstellung entsprechende Tätigkeit) auszuüben.
a. Zuletzt ausgeübter Beruf der Kl. war der einer Bürohilfskraft im Unternehmen ihres Ehemanns, nicht der bis in das Jahr 2000 hinein ausgeübte Beruf einer – geringfügig beschäftigten – Kellnerin.
Der Versicherungsfall in der Berufsunfähigkeitsversicherung als der den Streitgegenstand der Klage neben dem Antrag bestimmende Lebenssachverhalt tritt nicht schon mit einer Erkrankung der versicherten Person ein und, für sich betrachtet, nicht schon mit einer durch diese bewirkten Unfähigkeit zur Berufsausübung, sondern erst, wenn ein die Fortführung der letzten oder einer vergleichbaren beruflichen Tätigkeit bedingungsgemäß beeinträchtigender Zustand erreicht ist, dessen Besserung in absehbarer Zeit nicht mehr zu erwarten ist (vgl. BGH VersR 1987, 753), oder wenn das bedingungsgemäße Maß der gesundheitlich verursachten Hinderung an der Fortführung der beruflichen Tätigkeit mehr als sechs Monate angedauert hat.
b. Zwar trägt die Kl. vor, anzuknüpfen sei an ihre bis in das Jahr 2000 hinein ausgeübte Beschäftigung als Kellnerin, die sie wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht habe fortführen können und aus der sie in eine ihr von ihrem Ehemann – “vergönnungsweise’ (vgl. Freudenberg, juris-PK-SGB VI, § 43 Rn 89) – gewährte Beschäftigung gewechselt sei. Dem kann aber nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist, dass es der Kl. gesundheitlich nicht versagt ist, den Beruf einer Bürohilfskraft in bedingungsgemäßem Umfang auszuüben.
Allerdings darf es einer versicherten Person nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie nicht sofort Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend macht, sondern zunächst versucht, eine gesun...