" … Das gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat – jedenfalls vorläufig – Erfolg. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die festgestellte Nichteinhaltung der zehn Minuten dauernden Kontrollzeit, die dazu dient die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.2004 – 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426; Schoknecht, Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 86, S. 12), führt entgegen der Ansicht des AG nicht generell zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses (so auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.7.2010 – 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2011 – 3 (4) SsBs 803/10)."

Die Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit steht nur in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht (OLG Bamberg, a.a.O.) oder nur geringfügig – um 0,01 mg/l – überschritten wurde (OLG Karlsruhe NZV 2004, 426), einer Verwertbarkeit grds. entgegen, weil der gewonnene Messwert nur dann ohne Sicherheitsabschlag verwertbar ist, wenn die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 3.4.2001 – 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358; OLG Stuttgart BA 47, 360).

Angesichts dessen, dass vorliegend der Grenzwert – worauf die Revisionsführerin zutreffend hinweist – nicht geringfügig, sondern um 8 % bzw. 0,02 mg/l überschritten wurde und die in der Kontrollzeit eingenommenen Substanzen festgestellt werden konnten, kommt eine Verwertbarkeit der Messung auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Betracht. Ob und ggf. in welcher Art und Weise das festgestellte Rauchen einer Zigarette und das Trinken von Wasser während der Kontrollzeit die Messung beeinträchtigt haben könnte und in welcher Höhe ggf. ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen ist, lässt sich mit sachverständiger Hilfe aufklären (OLG Stuttgart BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2011 – 3 (4) SsBs 803/10). Ein allgemeiner Grundsatz, dass Bedienungsfehler bei standardisierten Messverfahren – hierzu gehört auch die Verwendung eines Atemalkoholgeräts, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat (BGHSt 46, 358) – generell zu deren Unverwertbarkeit führen (so OLG Hamm, Beschl. v. 24.1.2008 – 2 Ss OWi 37/08, NZV 2008, 260), existiert nicht. Vielmehr hat der Tatrichter bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler, die Zuverlässigkeit der Messung – ggf. mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen (vgl. für standardisierte Messverfahren der Geschwindigkeitsmessung, BGH, Beschl. v. 19.8.1993 – 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291 und Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277).

Hierzu wird vorliegend neben einem rechtsmedizinischen Sachverständigen auch ein technischer Sachverständiger zu hören sein, um Art und Ausmaß möglicher Beeinträchtigungen des Messergebnisses durch den Konsum von Wasser und Zigaretten feststellen zu können, da ein rechtsmedizinischer Sachverständiger regelmäßig nicht in der Lage ist, die technische Zuverlässigkeit der Messung zu beurteilen (OLG Bamberg, a.a.O.). Messfehler können sich neben dem Auftreten von Mund- oder Mundrestalkohol auch durch eine Beeinflussung der Messsensoren des Messgeräts ergeben, beispielsweise aufgrund einer Querempfindlichkeit des Messgeräts gegenüber Fremdgasen, etwa dem beim Rauchen entstehenden Kohlenmonoxid (vgl. Schoknecht, a.a.O., S. 12f).

Einer Vorlage der Sache an den BGH gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG bedarf es nicht, da die Ausführungen in der Entscheidung des OLG Hamm (a.a.O.), nicht tragend sind. Die vom AG zitierte Entscheidung des OLG Bamberg (a.a.O.) betrifft ausdrücklich nur den Fall, bei welchem der Grenzwert gerade erreicht wurde (vgl. OLG Stuttgart BA 47, 360).“

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