1
Bereits vor 20 Jahren gab ein Urteil des LG Würzburg den Anstoß zu einer Diskussion darüber, ob einem Schadensersatzgläubiger die Obliegenheit zur Schadensminimierung durch Erhebung der Verjährungseinrede gegenüber Dritten aufzuerlegen ist. Im genannten Fall beschaffte sich der Geschädigte eines Verkehrsunfalls für die Reparaturzeit seines eigenen Pkw einen Mietwagen. Die dadurch entstandene Forderung hatte der Vermieter aber nicht rechtzeitig geltend gemacht, so dass dem Unfallgeschädigten nach § 214 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung zustand. Dieser entschied sich jedoch gegen deren Geltendmachung und stellte seinerseits dem Schädiger die Miete als Teil der Schadensersatzforderung in Rechnung. Das LG Würzburg wertete dieses Verhalten als Verstoß des Geschädigten gegen eine ihm zuzumutende Möglichkeit der Schadensminderung i.S.d. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Der eigene Anspruch gegen den Schädiger sei daher entfallen.
2
Trotz beachtenswerter Kritik ist die Literatur dieser Ansicht überwiegend beigetreten und wendet bis heute § 254 Abs. 2 S. 1 BGB bei einer nichterhobenen Verjährungseinrede an. Gleiches gilt – bis auf wenige Ausnahmen – auch für die Rechtsprechung der Instanzgerichte. Der BGH hat über drei Etappen in den Jahren 1984, 2007 und 2016 ebenfalls eine verfestigte Position zu dieser Fragestellung entwickelt. Danach sei die Erhebung der Verjährungseinrede in Form eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses geboten, wenn keine Umstände vorliegen, die diesen Grundsatz "ausnahmsweise als unzumutbar erscheinen lassen".
3
Der vorliegende Beitrag wird die genannten Entscheidungen des BGH im Kontext des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB darstellen. Dabei setzt er sich auch mit der Frage auseinander, inwieweit die von der Rechtsprechung vorgenommene Annäherung der Verjährung an eine Einwendung mit der Rechtsnatur einer Einrede und dem Zweck der Verjährung zu vereinbaren ist. In diesem Zusammenhang werden mögliche Fallgruppen erörtert, die das vom BGH aufgestellte Unzumutbarkeitskriterium erfüllen können.
A. Grundlagen
Der Eintritt der Verjährung lässt einen Anspruch nicht erlöschen, sondern verschafft dem Schuldner die Möglichkeit zur Nutzung einer Einrede. Wird diese erhoben, bewirkt sie ein peremptorisches Leistungsverweigerungsrecht. Der Anspruch selbst und damit auch die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung bestehen aber dem Grund nach als Naturalverbindlichkeit fort. Im genannten Ausgangsfall bleibt der Geschädigte damit trotz seiner Einrede weiterhin einer Forderung des Vermieters ausgesetzt. Der Schaden basiert hier auf der unfallbedingten Substanzeinwirkung am Kraftfahrzeug und dem hieraus resultierenden Nutzungsausfall. Indem der Schadensersatzgläubiger die Verjährungseinrede gegen die Mietforderung erhebt, kann er die Höhe der durchsetzbar zu fordernden Ersatzkosten verringern. Der Schaden selbst bleibt unverändert; die Verjährungseinrede reduziert hier aber mittelbar den Kompensationsaufwand des Schädigers. Dieser Umstand hat in Reaktion auf das genannte Urteil des LG Würzburg zu einer Debatte darüber geführt, ob hier überhaupt von einer Schadensminderung i.S.v. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB gesprochen werden kann.
Obwohl der Wortlaut von § 254 Abs. 2 S. 1 BGB insoweit eindeutig erscheint, ist die begriffliche Unterscheidung zwischen der Verminderung eines Schadens und der Verringerung eines durchsetzbaren Ersatzanspruchs zumindest vorliegend nicht ausschlaggebend. Das Schadensrecht folgt dem Prinzip der Selbsttragung. Danach ist der an seinem Rechtsgut Geschädigte grundsätzlich allein für die Restitution verantwortlich. Von dieser Regel ausgehend kodifizierte der Gesetzgeber für eine Vielzahl von Schädigungsszenarien besondere Anspruchsnormen, die eine Haftung des Verursachers vorsehen. Die Kompensationslast wird dann vom Inhaber des geschädigten Rechtsguts auf den nunmehr Verantwortlichen übergeleitet. Im Hinblick auf dieses System bildet § 254 BGB die notwendige Rückausnahme, die eine Ersatzpflicht des Schädigers insoweit reduziert oder sogar aufhebt, als das schadens(umfangs)verursachend...